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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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gedruckte Widmung auf der nächsten Seite: VON HAWTHORNE FÜR MELVILLE , IN UNENDLICHER ZUNEIGUNG .
    Zee war dem Buch schon immer mit gemischten Gefühlen begegnet, denn es deutete eine unvermutet intimere Beziehung zwischen Hawthorne und Melville an. Zwar gab auch Finch zu, dass die Männer zur damaligen Zeit viel mehr Intimität gewohnt waren als heute, sie bekundeten einander in Briefen wortreich ihre Zuneigung und teilten sogar die Betten, doch dass Finch versucht hatte zu beweisen, dass es etwas Tiefergehendes gab, machte Zee mehr zu schaffen, als sie sich eingestehen wollte. Zee hatte den Eindruck, Finch wollte mit dieser Theorie auf eine seltsame Weise seine eigenen Lebensentscheidungen rechtfertigen, was in Zees Augen so weit hergeholt wie unnötig war.
    Dass Finch und Melville ein ideales Paar bildeten, daran hatte Zee nie gezweifelt. Sie waren nicht nur spürbar verliebt; dadurch, dass sie so glücklich und einander so zugetan waren, hatten sie Zee eine Stabilität geboten, die ihr Finch und Maureen nie hatten geben können. Für diese Stabilität würde Zee immer dankbar sein, mochte ihre Liebe der Familie auch geschadet haben.
    Doch die Liebesgeschichte zwischen Hawthorne und Sophia war legendär, und Maureen hatte sich eine solche Beziehung für sich selbst gewünscht. Weil es eine wahre Geschichte war und weil ihre Mutter sie so geliebt hatte, war sie heilig für Zee. Dass ihr Vater zu den Koryphäen der Hawthorne-Forschung in diesem Lande zählte und dadurch ein genaueres Wissen über Hawthorne besaß, als Zee es je erlangen würde, machte es für Zee nicht leichter. Seit sie klein war, hatte Finchs Liebe zu Hawthorne das Leben des Schriftstellers für sie beinahe so real erscheinen lassen wie ihr eigenes, aber bis vor kurzem hatte sie nie von Finchs Theorie über Hawthorne und Melville gehört. Vielleicht war es eine unmäßige Loyalität ihrer Mutter gegenüber oder die verzweifelte Hoffnung, dass es »die große Liebe« doch auch in Wirklichkeit gab – jedenfalls gefiel es Zee gar nicht, dass Finch an der Geschichte von Hawthorne und Sophia herumbastelte.
    Ihr wurde heiß im Gesicht. Melville sah sie an. Sie wollte den Abend nicht verderben und entschuldigte sich kurz. »Ich habe vergessen, Geld in die Parkuhr zu werfen.« Sie stand zu rasch auf und hätte beinahe ihr Weinglas umgeworfen. »Ich bin gleich wieder da.«
    Sie ging hinaus aus dem Restaurant. In Wahrheit stand ihr Auto auf dem Parkplatz und nicht vor einer Parkuhr. Sie lief den halben Block entlang, bevor sie stehen blieb.
    Melville holte sie schließlich ein, und nicht Finch. An der Straßenecke merkte sie, wie er hinter ihr stand. Er sagte nichts, aber sie spürte seine Anwesenheit. Sie drehte sich um.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Sie starrte ihn nur an.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass er diese Widmung schreiben würde.«
    »Ja«, sagte sie. Bei seinem Anblick war ihr klar geworden, dass das wahrscheinlich stimmte. Sie hatte seinen Gesichtsausdruck bemerkt, als er das Buch aufschlug, der kurze Blick, den sie austauschten. Finch liebte ihn. Das war die ganze Wahrheit. Sie liebten einander.
    »Hawthorne hat seine Frau verehrt«, sagte sie zu ihm. »Ganze Bücher widmen sich dieser Tatsache.«
    »Das bestreitet ja wohl niemand«, sagte Melville.
    »Sein Buch bestreitet das von vorne bis hinten.«
    »Ich habe es gelesen«, sagte Melville. »Das stimmt nicht.«
    Die beiden standen mitten auf dem Gehsteig. Die Leute gingen um sie herum.
    »Es ist möglich, mehr als einen Menschen in diesem Leben wirklich zu lieben«, sagte Melville. »Glaub mir, ich weiß das.«
    Sie sah ihn eigenartig an. Zum ersten Mal hatte Melville so viel über seine Vergangenheit preisgegeben.
    Ihr fiel keine Antwort ein.
    »Dieser Abend bedeutet ihm sehr viel«, erklärte Melville.
    Er sagte ihr nicht, was sie empfinden sollte; er sagte ihr nur die Wahrheit.
    Sie stand da und kam sich dumm vor, wie ein Kind nach einem Trotzanfall. Das überraschte sie. »Ich weiß nicht, warum mir das so nahegegangen ist.«
    »Das liegt doch auf der Hand«, sagte Melville.
    »Du weißt, dass ich wirklich finde, dass ihr beide zusammengehört.«
    »Natürlich«, sagte Melville.
    »Es ist nur … wie er manches anstellt. Es hat alles wieder zurückgebracht.«
    »Ich weiß«, sagte Melville und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Komm mit mir rein.«
    Sie gingen zusammen zurück. Finch saß allein am Tisch und wirkte ratlos. Sie küsste ihn auf die Wange.
    »Entschuldige«, sagte

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