Die Wiedergeburt
war und seinen Namen nur mehr flüstern konnte.
Sie hatte ihn umgebracht! Womöglich war sie selbst ebenfalls längst tot und schmorte nun für das, was sie getan hatte, in der Hölle.
Der Schatten hielt sie mit sanfter Gewalt fest und setzte ihr einen Becher an die Lippen. Brennend heiß rann das bittere Gebräu ihre Kehle hinab. »Alles wird gut«, flüsterte der Schatten und strich ihr mit kühlen Fingern über die Stirn. »Ich bin da. Ruh dich aus.«
Sie versuchte einen Blick auf seine Züge zu erhaschen, doch die Schwaden verdichteten sich zu einer undurchdringlichen Nebelwand. Dann war da nichts mehr.
Als sie das nächste Mal zu sich kam, spürte sie die Kissen eines Bettes unter sich. Jemand hatte sie zugedeckt. Alexandra öffnete die Augen. Der Nebelschleier war zerrissen, dahinter offenbarte sich ihr der Blick auf das Halbdunkel eines Raumes. Die Schmerzen waren zurückgekehrt, tobend und alles verzehrend. Ihre Haut brannte ebenso wie ihre Kehle.
»Wasser«, stieß sie krächzend hervor.
Sofort löste sich einer der Schatten aus dem Halbdunkel und kam an ihre Seite. Der Schemen half ihr, sich aufzurichten, und setzte ihr einen Becher an die spröden Lippen. Wasser rann in ihren Mund und floss kühl und samtig weich ihre Kehle hinunter. Gierig trank sie, bis sie sich beinahe verschluckte. Rasch entzog ihr der Schatten den Becher. Alexandra sank kraftlos in die Kissen zurück.
Eine Stimme drang gedämpft zu ihr durch. »Hast du Schmerzen?«
Sie nickte, unfähig, einen Ton herauszubringen. Einen Atemzug später wurde sie erneut angehoben. Wieder spürte sie einen Becher an den Lippen, doch diesmal war es kein Wasser. Bitter und süßlich zugleich rann die Flüssigkeit ihre Kehle hinab. Sie glaubte, Wein und Gewürze zu schmecken. Noch während sie sich fragte, was der Schatten ihr da eingeflößt hatte, kehrte der Nebel zurück, riss ihr den Schmerz aus dem Leib und drängte das Bewusstsein aus ihrem Körper.
Beim nächsten Erwachen fühlte sie sich noch immer benommen. Sie war nicht tot, das hatte sie mittlerweile begriffen, doch was war geschehen? Wo war sie? Wer waren die Schatten? Woher kamen sie? Ehe sie eine Antwort finden konnte, war sie erneut eingeschlafen.
Wann immer sie die Augen aufschlug, war jemand neben ihr, um ihr Wasser oder mehr von dem bitteren Wein zu geben, der ihren Schmerz ebenso betäubte wie ihren Verstand. Mit jedem weiteren Erwachen gelang es ihr, ein wenig länger in der Welt der Lebenden zu verweilen. Allmählich begriff sie, dass der Ursprung der Hitze in ihrem Körper nicht im Feuer, sondern im Fieber lag, das in ihr brannte.
Die Schatten waren noch immer da. Manchmal waren es mehrere, die durch den Raum zu schweben schienen und sich an ihrem Leib zu schaffen machten. Wann immer einer sie berührte, glaubte sie vor Schmerz zu vergehen. Anfangs verlor sie dabei häufig die Besinnung. Doch es gab auch Zeiten, in denen nur ein einziger Schemen in ihrer Nähe war. Vorwiegend im Schutze der Dunkelheit, wenn kein Tageslicht den Nebel durchdrang. Dann brannte lediglich ein kleines Nachtlicht und offenbarte die Umrisse einer Gestalt, die neben ihrem Bett auf einem Stuhl saß.
In einer jener Nächte erinnerte sie sich endlich daran, woher der Schmerz kam. Vladimir! Er hatte auf sie geschossen! Waren die Schwärze und das Vergessen, die sie solange gefangen gehalten hatten, Vorboten des nahenden Todes gewesen?
Oft vernahm sie eine Stimme. Der Schemen sprach zu ihr, leise und beruhigend. Sie hatte diese Stimme schon einmal gehört, doch sie hätte nicht zu sagen vermocht, wann und wo das gewesen war.
»Lucian?«, fragte sie leise in den Nebel hinein.
Er ist fort , drangen Bothwells Worte aus den Tiefen ihres Albtraums empor.
»Das kann nicht sein«, flüsterte sie. »Das ist nicht möglich. Nicht möglich … es kann nicht sein … darf nicht …«
Jemand griff nach ihrer Hand. »Schschsch.« Nur gedämpft drang die Stimme zu ihr durch. »Das war nur ein böser Traum.«
»Lucian«, murmelte sie, schloss die Augen und sank erneut in tiefen Schlaf.
*
Gavril saß an Alexandras Seite und hielt ihre Hand. Sie war betäubt vom Laudanum, das ihr die Nonnen in den Wein mischten, um ihr die Schmerzen zu nehmen. Immer wieder war es der Name der Kreatur, der in ihren Fieberträumen über ihre Lippen fand. Begriff sie denn nicht, dass dieses Monster sie zerstörte? Dieser Vampyr hatte sie nicht nur im Stich gelassen, sondern auch den Jägern ausgeliefert! Wären Vladimir oder
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