Die Wiege des Windes
Job denkst, dann such dir was anderes! Lass dich auf eine andere Dienststelle oder sonst wohin versetzen, ich lege dir keine Steine in den Weg. Aber geh mir aus den Augen!«
Wütend wandte sich Trevisan um und ging in die Lagerhalle zurück. Kleinschmidt kam ihm auf der Treppe entgegen. »Ich will das große Programm«, schrie ihn Trevisan an. »Untersucht jeden verdammten Quadratzentimeter. Dreht die Steine um, wenn es notwendig ist!«
Kleinschmidt nahm seine kalte Pfeife aus dem Mund. »Also doch der Chef?«, witzelte er.
*
Zehn Minuten nach dem Stimmengewitter kam ein großgewachsener Gartenzwerg durch die Einfahrt des Fabrikgeländes auf Trevisan zu, der gerade mit Kleinschmidt die Details der Spurensicherung besprach.
»Lörrach hat angerufen«, sagte der Gartenzwerg kleinlaut. »Peter Luksch lebt und erfreut sich bester Gesundheit.«
Trevisan schaute verdutzt. »Luksch?«
»Ja, der Typ mit der Chipkarte im Rucksack.« Dietmar Petermann nahm die Kapuze vom Kopf.
»Und wie kommt der Rucksack in das Hafenbecken?«
»Oh, das ist ganz einfach. Er wurde gestohlen. Luksch war im September auf einem Nordseetrip. Der Rucksack wurde ihm hier in Wilhelmshaven entwendet, vor der Nordseepassage, dem Einkaufszentrum. Jugendliche. Er hat sie gesehen und auch noch ein Stück verfolgt. Dann sind sie verschwunden.«
»Hat er Anzeige erstattet?«
Dietmar schüttelte den Kopf. »Er sagte, dass sich im alten Geldbeutel außer ein paar Münzen kein Geld befunden habe. Ansonsten waren nur noch eine abgetragene Regenjacke und ein Paar Socken im Rucksack, deswegen habe er keine Anzeige erstattet. Seine Lebensgefährtin hat übrigens seine Geschichte bestätigt, sie war in Wilhelmshaven dabei. Außerdem arbeitet Luksch derzeit als Referendar bei der Lörracher Staatsanwaltschaft. Wohl ein weiteres Indiz für seine Glaubwürdigkeit.«
»Also gut, machen wir weiter. Unser Toter hat noch immer keinen Namen, aber vielleicht wissen wir bald mehr über seine Geschichte. Zumindest über seine letzten Stunden.«
12
»Abgesprungen?« Der Kräftige mit der goldenen Brille, den sie Sniper nannten, fiel aus allen Wolken. »Dieses Luder ist einfach abgesprungen? Sie muss uns erkannt haben.«
Der Bärtige nickte.
»Das ist jetzt das zweite Mal. Das gibt Ärger.« Sniper stand mit seinem Komplizen auf dem Bahnsteig des Langeooger Bahnhofs und schaute dümmlich der kleinen Lok hinterher, die schnaufend auf den Gleisen entlang kroch. »Und was jetzt?«
Der Bärtige zuckte mit den Schultern.
»Das ist eine Insel. Und die einzige Möglichkeit, von einer Insel wegzukommen, ist der Hafen. Wann fährt der nächste Zug?« Sniper ließ seinen Partner stehen und ging zu der Stellwand mit den Fahrplänen. Doch alle galten nur für das Sommerhalbjahr. Schließlich erfuhr er von einem Mitarbeiter der Langeoogbahn, dass erst am Abend wieder eine Fähre zum Festland fahren würde, und auch nur, wenn das Wetter sich nicht verschlechterte, denn für den Nachmittag war ein böiger Westwind angekündigt.
Er setzte sich neben dem Bärtigen auf eine Bank. »Verdammt. Wie hat sie uns nur erkennen können?«
»Du warst unvorsichtig. Ich habe es dir gesagt.«
»Ich musste mich doch versichern, dass sie in der Wohnung war«, antwortete Sniper. »Egal, sie sitzt jetzt wie eine Maus in der Falle. Wenn wir den Hafen im Auge behalten, werden wir sie schon wiederfinden.«
»Und was erzählst du dem Boss?«
»Wir sind noch immer an ihr dran, oder?«
Der Bärtige nickte. »Glaubst du, es ist hier auf der Insel?«
Sniper nickte. »Sonst wäre sie wohl kaum hierher gekommen.«
*
Töngen hatte sich anders entschieden und war mit dem Fahrrad zum Hafen hinuntergefahren. Vor dem roten Backsteingebäude des Yachtclubs standen zwei Telefonzellen und eine davon funktionierte mit Münzen. Außerdem konnte er gleich die Lage sondieren und sein altes Boot startklar machen, das hinter den Liegeplätzen der schnieken, weißen Yachten vertäut im Hafenbecken lag. Als er über die Brücke an den Bahngleisen auf die Hafengebäude zufuhr, blickte er sich argwöhnisch um. Wie ausgestorben breitete sich die Anlegestelle vor ihm aus. Er stieg vom Rad und schob es den Weg entlang auf die Gebäude zu. Zuerst ging er an den Telefonzellen vorbei und lehnte das Rad an die Wand des Schuppens. Vielleicht hatte sich ja der Kriminalbeamte mit seinen Kollegen im hinteren Bereich des Hafens versteckt.
Töngen beobachtete die Umgebung. Auch auf den Stegen, die zu den Liegeplätzen
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