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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Derselbe sture Geist, der zu seiner Verbannung geführt hatte, riet ihm, in dem Land auszuharren, das er kannte, aber in den Winkeln seines Herzens herrschte eine rastlose Unruhe, die er nicht unbeachtet lassen konnte.
    »Maegern«, sagte er leise. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Neve das Zeichen des Schutzes machte. »Abergläubisch, Neve? Du?«
    »Sie hat diesen besonderen Blick – in weite Fernen, aber gleichzeitig hat sie tief in mich geschaut. Das hat mich ziemlich erschreckt.«
    »Eine Weissagung?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht. Sie wollte nicht mehr darüber reden, sondern hat ihre Sachen zusammengesucht.«
    »War es nicht vielleicht bloß ein Albtraum?«
    »In dem Fall war er aber reichlich finster.« Neve schüttelte den Kopf. »Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, Baer. Dann hättest du verstanden.«
    Er grunzte. »Wenn ich bloß irgendeinen Beweis hätte.«
    »Sie hat die Gabe. Du hast es selbst gesehen, und nachdem sie mich so angeschaut hat, hege ich keinen Zweifel mehr daran, dass sie auch weissagen kann.«
    Das war doch etwas – wenn es stimmte. Er kniff die Augen zusammen und fragte: »Eine Banfaíth? Bist du sicher?«
    »Ich glaube schon.« Sie zog den Schal um ihre Schultern zurecht und schenkte ihm diesen Blick, den er inzwischen nur allzu gut kannte – diesen Blick, der besagte, dass dies eine Frauensache war und er am besten mit ihr darüber nicht streiten sollte. »Frauen wissen es manchmal einfach«, sagte sie. »Das ist nichts, was man lernen könnte. Und es ist nichts, was ich in eine Schachtel legen und dir zeigen könnte. Tief in unserem Innern wissen wir es einfach.« Sie verschränkte die Arme und zuckte mit den Schultern. »Das ist der Grund, warum die Sprecherinnen immer weiblich sind.«
    Er suchte abermals den Horizont ab, zum hundertsten oder gar tausendsten Mal seit dem Beginn seiner Wache. Die Verlorenen konnten niemals zu vorsichtig sein.
    Eine Banfaíth. Die Sprecherinnen waren schon ärgerlich genug, sowohl für Männer als auch für Frauen. Aber die Banfaíth waren … anders. Sie lauschten dem Wind, der ihnen seine Geheimnisse verriet. Sie wussten um Dinge, die den anderen verborgen waren: wie man Träume deutete oder wie man das Herz eines Menschen las.
    Unablässig fuhren seine Finger über den Bogen, der über seiner Schulter hing. Sie ist ein starkes Mädchen. Wie mein eigenes, das ich zurückgelassen habe . »Ich gehe zu ihr, sobald meine Wache vorbei ist. Ich verspreche, dass ich noch einmal mit ihr rede.«
    Seine Frau gab ihm einen raschen, aber herzlichen Kuss auf die Wange. »Du solltest dich damit beeilen. Ich glaube, sie will bald aufbrechen.«
    Finn stand ruhig da; die Satteldecke war über seinen Rücken gebreitet. Ihm das Zaumzeug anzulegen war einfach gewesen, aber der Sattel bereitete ihr größere Schwierigkeiten. Teia wurde von ihrem vorgewölbten Bauch behindert und konnte weder nahe genug an das Pferd herantreten noch den Sattel hoch genug heben, um ihn auf Finns Rücken zu hieven.
    Nach dem dritten Versuch ließ sie ihn fallen und massierte sich das Kreuz mit beiden Händen. Verdammtes Ding. Wenn sie einen Stein hätte, auf dem sie stehen könnte, oder auch nur einen Haufen getrockneten Dungs, würde sie es schaffen, aber sie hatte das alles nicht, und ihr Rücken schmerzte von den vergeblichen Versuchen. Die Zeit der Niederkunft kam immer näher. Vorsichtig legte sie die Hand auf ihren Bauch. Es waren noch etwa fünfzehn Wochen, wenn sie richtig gerechnet hatte, obwohl sie sich wegen ihres Umfangs in der letzten Zeit gefragt hatte, ob ihr nicht doch ein Fehler unterlaufen war. Dann, nach einigen Schmerzen, wäre sie diese Unannehmlichkeiten los.
    Schuldgefühle zuckten in ihr auf. Das Kind konnte nichts dafür. Ein Kind hatte kein Mitspracherecht bei seiner Zeugung und der Zuteilung seiner Eltern. Wie konnte Teia ihre Kleine verantwortlich machen? Wenn jemand dafür verantwortlich war, dann war es der Vater des Ungeborenen.
    Als sie an Drwyn dachte, wurde sie so sehr vom Zorn beflügelt, dass es ihr gelang, den Sattel höher denn je zu heben und gegen Finns Rücken zu drücken. Das Tier schnaubte, hielt aber still. Fast hatte sie es geschafft. Noch ein Stoß von unten dagegen und … Bei Machas Ohren, die Satteldecke verrutschte! Teia stellte sich auf die Zehenspitzen, stützte den Sattel mit ihrer Brust und zog die Decke gerade, doch es half nichts.
    Der Sattel polterte zu Boden. Sie wich schnell zurück, sodass er ihr nicht auf die Füße fiel. Die

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