Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
Vom Netzwerk:
Sichtweite der Hütte, hatte er eine Weile im Schutz eines umgestürzten Baumes verbracht. Er sah über den großen Fluss im Tal hinweg und versuchte, sich eine Welt ganz ohne Menschen vorzustellen. In dieser Umgebung war das gar nicht so schwer. Aber die tiefe Einsamkeit, die er dabei verspürte, beunruhigte ihn mehr, als er erwartet hatte.
    Er dachte an Eliza zu Hause und hoffte, dass John sicher zu ihr heimgekehrt war. Er dachte an seine Mutter und fragte sich, ob sie das Haus noch besaß.
    Und dann kam der Schneesturm.
    Wie ein Raubtier, das seine hilflose Beute jagte, zog der Sturm stumm über der Kuppe des Hügels auf und warf seine weiße Pracht über dem Tal ab. Als die erste Flocke vor Jack hinabschwebte, blickte er auf und erwartete, dort ein kleines Tier zu sehen, das die Äste des schneebedeckten Baumes über ihm schüttelte. Eine weitere Flocke landete ihm auf der Wange, dann auf der Nase, und schon schneite es wie verrückt.
    Zuerst machte er sich keine Sorgen. Um zur Hütte zurückzugelangen, musste er nur direkt bergab laufen, er würde sich also kaum verlaufen. Sie hatten an dem Morgen ordentlich gefrühstückt, also war sein Körper warm und damit beschäftigt, das Kaninchenfleisch zu verdauen. Außerdem hatte er ein Gewehr dabei.
    Dann sah er den Schatten im Schneegestöber, der knappaußer Sichtweite weiter oben auf dem Hügel von Baum zu Baum huschte.
    Er begann, bergab zu laufen. Der Schnee fiel immer dichter, vollkommen still, nicht vom leisesten Lufthauch gestört. Er sah sich um, doch er konnte jetzt schon kaum mehr als ein Dutzend Schritte weit sehen. Er machte sich weiter auf den Weg bergab und sah sich alle paar Schritte um, um sicherzugehen, dass ihm im Schneetreiben nichts nachstellte. Deshalb bemerkte er den Absturz im Hang erst, als es zu spät war. Der Boden verschwand unter seinen Füßen, und er schien einen Moment lang in der Luft zu schweben. Er spürte gar nicht, wie er fiel. Es war, als trüge ihn der Schnee in die Luft. Doch dann schlug er auf dem Boden auf. Der Schnee fing zwar den Aufprall ab, doch es nahm ihm dennoch den Atem, und er knallte mit dem Kopf gegen einen hervorstehenden Stein.
    Er blickte zum Rand des Absturzes über ihm auf, während er schon das Bewusstsein verlor, und nahm gerade noch eine graue Gestalt wahr, die sich vorbeugte und auf ihn hinabstarrte.
    Als er aufwachte, wusste er, dass er vor Kälte sterben würde.
    Jetzt stirbst du doch noch im Schnee, kalt … und fast ganz allein.
    Nein! versuchte er zu sagen, doch seine Lippen waren aneinandergefroren.
    Er versuchte, sich zu bewegen, doch seine Arme gehorchten seinen Befehlen nicht. Er sah auf seinen Körper hinab, der begraben war. Er blinzelte rasch, um den Schnee aus seinen Augen zu vertreiben. Seine Wimpern waren schwer vor Schnee.
    Nein , versuchte er wieder zu sagen. Sein Mund öffnete sich und Eis rieselte ihm in den Rachen. Seine Mutter war bei ihm. Sie kam aus der stillen weißen Ferne, sichtbar, obwohl der Schnee immer noch genauso dick vom Himmel fiel. Sie sah traurig, aber auch vorwurfsvoll aus, und als sie den Mund aufmachte, wusste er, dass sie ihm für alles die Schuld geben würde.
    Dann war der Wolf wieder da, der Tod. Er stand zwischen Jack und der Erscheinung seiner Mutter. Er knurrte und wandte sich ab. Dann verschwand er wieder im Schneesturm und ließ ihn alleine zurück.
    Frierend.
    Sterbend.
    Jack spürte, wie sein Herz langsamer wurde, als würde ihm das Blut in den Adern gefrieren, so wie das Wasser des mächtigen Yukon zum eisigen Stillstand gekommen war. Irgendwo hatte er gelesen, das Gehör sei der letzte Sinn, der einem Sterbenden schwinde. Als er die Augen aufmachte sah er gar nichts, als er einatmete roch er nur Leere.
    Gerade als sein Gehör zu schwinden begann, hörte er in der Ferne das wehklagende Heulen eines Wolfes.
    Jack erwachte wieder aus dem Nichts, aus einer ganz anderen weißen Stille, mit einem mächtigen Keuchen, als wäre er gerade aus einem schrecklichen Traum erwacht. Ein Schmerz umklammerte seine Brust wie die Faust eines Riesen, die ihn zerquetschte, und ließ dann abrupt locker. Er holte ruckartig Luft, und alle seine Sinne sprangen wieder ins Leben zurück. Mit jedem Atemzug füllte sich seine Nase mit dem Geruch nach Blut, das in seinem Rachen gurgelte.
    Er verschluckte sich daran, drehte den Kopf zur Seite und würgte und spuckte.
    Blut. Der Eisengeschmack und der volle Fleischgeruch waren unverkennbar. Darunter mischte sich noch der Geruch von

Weitere Kostenlose Bücher