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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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oder Steinen gefüllt werden mussten, die Ritzen zwischen den Bäumen waren weder mit Lehm oder Teer abgedichtet.
    Mit der Schüssel in der Hand beugte sich Jack vor und starrte die Fuge zwischen den Stämmen an. Er drückte mit dem Finger hinein und fand die Fuge glatt. Stirnrunzelnd nahm er den Löffel und schabte mit der Rückseite dort, wo die Stämme aneinandergefügt waren. Die Rinde löste sich, darunter war weiß glänzendes Holz.
    Es gab keine Ritzen. Die Fugen zwischen den Baumstämmen waren dicht, weil die Stämme zusammengewachsen waren. Das Holz darunter war saftig und frisch und glänzte, weil es noch lebte.
    Die vergessene Suppenschale in der einen Hand, drehte er sich langsam im Kreis und starrte die Wände und Türen an, legte dann den Kopf in den Nacken und betrachtete die Dachbalken. Auch sie lebten noch. Er stolperte ungläubig RichtungTür, stellte die Schale aufs kleine Bücherregal und beugte sich vor, um die Buchrücken zu lesen. Englisch, Französisch, Russisch und andere Sprachen. Sein Kopf drehte sich, das Unmögliche um ihn herum machte ihn schwindlig, er blieb stehen und starrte den Boden an.
    Hatten Hütten Wurzeln? Es musste so sein, wenn die Bäume, aus denen diese Hütte gebaut war, noch lebten. War die Hütte so gewachsen? Unmöglich. Unvorstellbar. Trotzdem war es so, wie er es gesehen hatte. Türen, Fenster und Möbel waren ganz normal, soweit er es erkennen konnte. Doch außen herum bestand die Blockhütte aus lebendem Holz.
    Jack ging ans Fenster bei der Haustür und erstarrte. Die Hütte befand sich auf einer Lichtung, dahinter wuchs der Wald dunkel und dicht. Da draußen blühte ein Wildwuchs aus Wiesenblumen, leuchtend lila und blau, rosa und orange und rot, eine Farbenpracht, die alles Grau von Dawson auf einen Schlag vergessen ließ.
    Er schüttelte den Kopf. Konnte das überhaupt real sein? Er dachte an Geschichten, die er gelesen hatte, von Männern, die sich in der Wildnis verlaufen hatten, sich im Reich der Feen und Elfen wiedergefunden hatten und ihrem Gefühl nach wenige Tage dort blieben, doch nach ihrer Rückkehr feststellen mussten, dass viele Jahre vergangen waren.
    Jack umklammerte mit beiden Händen seinen Kopf und versuchte, zu bestreiten, dass dieser Ort Realität wäre, doch es war zu spät. Wie lange hatte er geschlafen? Wo war er denn nun eigentlich aufgewacht? Wie war er hierhergekommen?
    Er nahm seine Jacke vom Haken an der Tür und zog sie an, während er zum Ofen stolperte, um seine Stiefel zu holen. Er schlüpfte hinein, ohne sie zuzubinden, und ging andie Rückseite der Hütte, doch auch da erstarrte er am Fenster vor Schreck. Diesmal war es der Anblick eines wuchernden Gemüsegartens, ein halber Hektar war übersät mit einer irrsinnigen Vielfalt an Pflanzenarten. Jenseits des Gemüsegartens standen Apfel- und Birnbäume, und Rebstöcke, schwer vor Trauben.
    »Heiliger Strohsack«, flüsterte er.
    Dann streifte eine Brise seinen Nacken. Er drehte sich um und merkte, dass er nicht einmal gehört hatte, wie die Tür aufging.
    Das Mädchen war gerade eingetreten, das Sonnenlicht strahlte um sie herum , umrahmte perfekt ihren Körper unter dem Baumwollkleid. Trotz seiner Furcht und Verwunderung machte ihn ihre Schönheit sprachlos.
    Und dann lächelte sie so süß und unschuldig, blinzelte überrascht und fiel dann regelrecht in sich zusammen, voll echter Trauer, als sie begriff, dass er gerade gehen wollte.
    »Was habe ich falsch gemacht?«, fragte sie. »Hat dir die Suppe nicht geschmeckt?«

KAPITEL 10

Die Macht des alten Waldes
    Jack konnte weder seine Augen von ihr lassen, noch das schlechte Gewissen abschütteln, das ihn befiel, als er begriff, dass er sie traurig gemacht hatte. Kein bisschen List oder Tücke waren in ihrer Stimme oder ihrem Gesichtsausdruck. Ihr Heim und ihre Schönheit waren ohne Frage nicht von dieser Welt, doch ihre Enttäuschung und die zerstörte Hoffnung in ihrem Blick waren eindeutig menschlich.
    Er holte tief Luft, sah sich in der schlichten Gemütlichkeit der Hütte um und konnte nirgends eine Gefahr erkennen. Zauberei, vielleicht, denn was sonst war eine Hütte aus lebendem Holz? Aber keine Gefahr. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Hänsel und Gretel, das Lebkuchenhaus und der Ofen einer Hexe. Aber er verging so schnell, wie er gekommen war. Das war nur ein Märchen, aber dieses Mädchen stand eindeutig vor ihm in der Tür, Hexe oder nicht.
    Sie senkte den Blick, ihre Lippen spitzten sich zu einem leichten

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