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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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doch nichts würde ihn daran hindern, nach dieser außergewöhnlichen Reise nach Hause zurückzukehren.
    Er stemmte sich gegen den Sturm und legte sogar noch einen Zahn zu, bei jedem Schritt auf der Hut. Er suchte nach weiteren Anzeichen seines Verfolgers, doch er konnte nichts mehr entdecken. Vielleicht hatte der Schuss doch Wirkung gezeigt.
    Durch das Schneetreiben vor sich erblickte er die dunklen Umrisse von Bäumen. Dieses Waldstück schien bis ans Wasser heranzureichen. Um weiter nach Süden voranzukommen, würde er also direkt zwischen den Bäumen hindurchmüssen. Er hatte keine andere Wahl. Wenn er das Ende des Sturms abwartete, würde es ihn erwischen. Also ging Jack weiter und behielt die Bäume im Auge, während er näher kam, und suchte zwischen den Ästen und Zweigen nach der kleinsten Bewegung.
    Der Wind drehte, sodass er ihm jetzt in den Rücken blies. Er trieb ihn vorwärts, und Jack spürte eine kurze Erleichterung, dass der Sturm ihm nicht mehr ins Gesicht wehte.
    Dann bemerkte er den Geruch, der mit dem Drehen des Windes zu ihm kam, ein vertrauter Geruch, der ihn beinahe vor Entsetzen erstarren ließ: der Gestank von verfaultem Fleisch.
    Der Wendigo hatte ihn gefunden.

KAPITEL 14

DER GEIST DER GEWALT
    Der Wendigo verfolgte ihn, und Jack London rannte um sein Leben. Er sah sich nicht um – einmal hatte er ihn schon nachts gesehen. Der Sturm hatte ihn ein wenig vor dem Anblick verschont, aber er hatte überhaupt keine Lust, dieses Ding am helllichten Tag zu erblicken. Er sah zwar nicht hin, dennoch waren seine anderen Sinne hellwach, und er wusste, das Ungetüm hatte ihn jetzt im Visier. Als der Wind die Richtung geändert hatte, konnte er nicht nur den Geruch wittern, sondern auch das Knirschen des Schnees und das Knacken der Sträucher hören. Selbst die Luft schien anders zu schmecken, da sie nicht mehr durch den Wintersturm gefiltert und gesäubert wurde, sondern erfüllt war vom Hauch des Todes.
    Er könnte sich umdrehen und schießen, obwohl er sicher war, das es nichts nützen würde. Trotzdem behielt er die Waffe in der Hand, nur, um dem Ding zu signalisieren, dass er noch nicht aufgegeben hatte.
    Wie viele Reisende, Entdecker und Goldsucher hatte der Wendigo wohl schon vor seinem Angriff in Panik ausbrechen sehen, die Gepäck und Waffen nach allen Seiten von sich warfen und blindlings dem Tod entgegenstürzten? Jack konnte undwollte es gar nicht wissen. Wenn er heute hier sterben würde, dann erhobenen Hauptes.
    Ich muss es bis zu den Bäumen schaffen , dachte er, die ersten Umrisse eines Planes im Kopf. Was auch immer Lesya mit ihm vorgehabt hatte, er musste ihr für vieles dankbar sein, nicht zuletzt für das Essen, das sie für ihn zubereitet hatte. Sonst wäre er längst zusammengeklappt und elend krepiert. Trotz seiner Panik staunte Jack tief im Innersten, wie stark er war, wie schnell er laufen konnte. Er fragte sich, ob alle Opfer auf der Flucht vor ihren Feinden sich einen Moment lang so fühlten.
    Als Jack den Schutz der Bäume erreichte, änderte er sofort die Richtung. Er tastete mit dem Geist um sich und entdeckte einen Fuchs, der sich hundert Schritte entfernt furchtsam zusammengekauert hatte, und nicht weit davon lag der Wildwechsel, den der Fuchs und seine Familie zum Fluss nahmen. Er lenkte seine Schritte diesen Pfad entlang, beschwor seine neuerworbenen Fähigkeiten und gab im Laufen ein fuchsartiges Bellen von sich. Der Weg stieg vom Fluss aus an, und sein Schritt verlangsamte sich … Dann hörte er hinter sich, wie Bäume und Äste vom Wendigo geknickt wurden.
    Er hätte mich jederzeit kriegen können , dachte Jack, schlug einen schnellen Haken und sprang über das Loch, in dem die Fuchsfamilie sich versteckte. Er ist mir durch den Schneesturm gefolgt und hätte mich in Stücke reißen können.
    Er sprang über einen Graben und schoss nach links, vom Fuchspfad weg. Er behielt im Laufen die pelzige Wärme des Fuchses im Gedächtnis und das Knurren, das in seiner Kehle rumorte, war nicht sein eigenes. In der Eile der Verfolgungsjagd hatte sein Plan noch keine konkreten Formen angenommen: Erwollte den Wendigo bloß verwirren. Wenn das gelang, würde sich vielleicht eine Gelegenheit zum Entkommen ergeben.
    Jack lief wieder im Zickzack nach links und rechts und blieb tief gebückt in Bodennähe. Er wich einem umgestürzten Baum aus und widerstand der Versuchung, sich dahinter zu verstecken. Selbst wenn er sich perfekt tarnen könnte, würde die Bestie ihn finden. Er könnte

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