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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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machte sich dann mit seinem Gepäck wieder den Fluss entlang auf die verzweifelte Suche nach einer Unterkunft für die Nacht, wo er warm und geborgen wäre. Er musste sich ausruhen und seine Kleider trocknen. Es war zwar noch nicht Winter, aber wenn er es vor Wintereinbruch aus dem Yukon schaffen wollte, musste er sich beeilen.
    Er war froh, Abstand zwischen sich und diesen Wäldern zu gewinnen. Irgendwo dort hinten spukte Lesya in ihrem Wald herum, und noch viel näher lag der tote Wendigo. Vielleichtwar er inzwischen völlig verrottet, aber da waren immer noch seine Knochen, und der Geist seines unstillbaren Hungers würde vermutlich für immer zwischen diesen Bäumen herumspuken.
    Er spürte, dass sein Abenteuer hier vorbei war. Jack erreichte wieder das Lager, wo der Wendigo so viele Menschen getötet hatte. Und bevor es völlig dunkel war, hatte er die Feuerstelle mit dem Fuß freigeschaufelt. Nun machte er sich daran, ein neues Feuer zu entfachen.

KAPITEL 15

RÜCKKEHR AUS DER WILDNIS
    Jack wärmte sich die Hände am Feuer, das die Dunkelheit in Schach hielt. Er empfand das Feuer als sauber und reinigend. Die Dunkelheit war zwar erfüllt von den ihm jetzt schon so vertrauten Lauten der Wildnis, doch sie kamen ihm nicht bedrohlich vor. Er hatte sich dem Schlimmsten gestellt, das dieses Land zu bieten hatte, und hatte überlebt.
    Dennoch empfand er keinen Triumph. Im Moment empfand er gar nichts. Er war wie ein verletztes Tier, das seine Wunden leckte. Der Schock hatte ihn immer noch im Griff.
    Und er hatte viele Wunden. Sobald das Feuer brannte und er sich hinsetzen konnte, untersuchte Jack zum ersten Mal seinen Körper und war erstaunt, was er da alles fand. Seine Hände waren blutig aufgerissen und voller Schrammen und verbeult. Vermutlich hatte er sich einige der Schnitte mit dem eigenen Messer zugefügt, andere stammten von Dornen und abgebrochenen Zweigen. Er verbrachte eine ganze Weile damit, im flackernden Feuerschein die Splitter unter seiner Haut zu entfernen, die teilweise so lang wie sein halber Finger waren. Der Schmerz war scharf und schneidend, und er versuchte gar nicht erst, sein Aufstöhnen zu unterdrücken.
    Eine Gesichtshälfte war voller Grind und Schorf, und noch nie in seinem Leben hatte er sich so sehr einen Spiegel gewünscht. Er konnte die Wunden unter den Händen spüren, aber wie sie auf seinem wohlvertrauten Gesicht aussahen – so jung, stürmisch, zuversichtlich – konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Seine Haut fühlte sich so viel älter an, sein Gesicht war bestimmt auch gealtert.
    An Armen und Beinen hatte er überall blaue Flecken, drei Zehen an seinem linken Fuß verfärbten sich dunkel, fast alle Zehennägel waren ihm ausgefallen. Sein Magen rumorte. Seine Rippen taten weh, wahrscheinlich waren ein paar gebrochen. Er hustete sich in die Hand und untersuchte die Spucke lange im Feuerschein, bis er sich vergewissert hatte, dass kein Blut darin war.
    Der Mond tauchte am Himmel auf und die Sterne erschienen. Jack begann, den Schock abzuschütteln. Er wickelte sich in die Decken, die er im zerstörten Lager gefunden und notdürftig am Feuer getrocknet hatte, und war sich ganz sicher, dass er jetzt niemals einschlafen könnte.
    Doch schon Augenblicke später schlummerte er ein, den Kopf auf den Satteltaschen voll Gold. Und als ob das sagenumwobene gelbe Metall ihn bis in seine Träume verfolgte, sah er sich bald darauf in besseren Tagen wieder.
    Ihm war bewusst, dass er träumte. Dennoch hatte er keine Kontrolle über die Bilder, die ihn durch den Schlaf begleiteten. Es waren Erinnerungen an seine Vergangenheit. Verletzt und blutend hier im wilden hohen Norden, erkannte er einige der Schlüsselmomente seines Lebens wieder: Er ging zu Fuß die Landstraße entlang, streckte den Daumen heraus, um mitgenommenzu werden, und erkundete Amerika von ganz unten. Er war arm, aber glücklich. Er hatte wenig, doch es fehlte ihm an nichts, und jedes Gefährt, das anhielt, um ihn mitzunehmen, verhieß ein neues Abenteuer. In seinen Träumen begegneten ihm so einige harte Kerle, manche davon waren sogar richtig grausam und fies, doch am Ende stand Jack immer ein bisschen älter und klüger da und wusste wieder etwas mehr über die Menschen und sich selbst. Es ging ums Erwachsenwerden.
    Das Meer wogte unter seinen Füßen, als er das erste Mal Amerika verließ und sich zur Robbenjagd in den Pazifik wagte. Er stand bis zu den Knien in Blut und Gedärmen, der Himmel strahlte auf ihr

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