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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Seite, und die Kaffeetasse entglitt ihr, fiel auf den Tisch und zerschellte am Boden. Willa hörte den Knall nicht. Sah das Chaos auf dem Boden nicht. Sie sah nur Seamies Gesicht.
    »Mein Gott, Eddie … das gibt’s doch nicht«, flüsterte sie.
    BRITISCHER MARINEKAPITÄN VON DEN TOTEN AUFERSTANDEN , hieß die Überschrift. »Seamus Finnegan, Captain der Exeter «, stand unter dem Foto.
    Willa fuhr mit zitternden Fingern über das Bild. Dann las sie den Artikel und erfuhr, was mit Seamie nach dem Angriff auf sein Schiff passiert war. Sie musste lachen und weinen zugleich. Sie las weiter und erfuhr, dass er vor einem Monat in London angekommen war und plane, bei seiner Schwester und deren Mann zu wohnen. In deren Haus sei er wieder mit seinem Sohn vereint, der bei seinen Verwandten lebe. Entsetzt erfuhr Willa, dass der Junge deshalb nicht bei seiner Mutter sei, weil diese an der Grippe gestorben war. Captain Finnegan habe der Presse gesagt, er werde bald mit seinem Sohn in ein Cottage in den Cotswolds ziehen.
    »Ich kann’s nicht glauben. Ich kann es einfach nicht glauben«, wiederholte Willa immer wieder. »Er lebt, Eddie.«
    »Ich weiß. Wundervoll, nicht wahr? Ich wollte, dass du es von mir erfährst. Ich hoffte, ich wäre schneller in Paris als irgendwelche Londoner Zeitungen. Oscar meinte, du seist in einem sehr labilen Zustand und war sich nicht sicher, wie du reagieren würdest.«
    Erregt stand Willa auf. Sie weinte erneut, aber diesmal waren es Freudentränen. Seamie lebte. Er war noch immer auf dieser Welt.
    »Weißt du, wo Seamie steckt?«, fragte Eddie.
    »Die Zeitung schreibt, er würde in ein Cottage in den Cotswolds ziehen. Ich glaube, es ist in Binsey. Das hat er einmal erwähnt. Es gehörte seiner Frau. Vielleicht kannst du ihn dort besuchen nach unserer Rückkehr.«
    Das Lächeln auf Willas Gesicht verblasste. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Tante Eddie, das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    Willa schwieg einen Moment, dann gestand sie: »Weil ich damals in der Wüste, nachdem Seamie mich gefunden und in Lawrence’ Lager zurückgebracht hat, zu ihm sagte, dass wir voneinander lassen müssten. Um uns und den Menschen in unserer Umgebung nicht länger wehzutun. Es war gut, was wir hatten. Und was wir taten. Vor dem Krieg.« Sie blickte auf ihre Hände hinab. »Vielleicht weißt du nichts davon. Vielleicht aber doch.«
    Eddie nickte. »Ich wusste nichts. Jetzt allerdings schon.«
    »Ja, nun«, fuhr Willa fort, »es ist bitter und verhängnisvoll, jemanden zu lieben, den man nicht lieben sollte, und es hat nichts als Kummer gebracht.«
    »Seine Frau ist gestorben, Willa«, wandte Eddie vorsichtig ein. »Er ist jetzt Witwer.«
    »Was soll ich denn tun, Tante Eddie? Mich wie ein Geier auf ihn stürzen? Das tue ich nicht. Es wurden zu viele Fehler gemacht, zu viele Sünden begangen. Jennie hätte etwas Besseres verdient. Auch Albie. Sogar Seamie. Nein, ich bleibe hier. Wir haben uns aus einem bestimmten Grund getrennt, und daran hat sich nichts geändert – wir sind nicht gut füreinander. In Afrika nicht. Vor dem Krieg in London nicht. Und auch jetzt nicht. Das weiß ich.« Eddie seufzte tief auf. Willa nahm ihre Hand. »Ich freue mich, dass du gekommen bist. Ich weiß, dass du es aus Sorge um mich getan hast, und ich liebe dich dafür, Tante Eddie, aber ich kann nicht zurück nach England. Ich kann nicht. Es ist einfach zu schmerzhaft.«
    Eddie nickte. »Ich verstehe dich, Willa. Keine Ahnung, was ich deiner Mutter sagen werde, aber ich verstehe dich.«
    Willa küsste sie. »Danke. Du fährst doch nicht gleich zurück, oder? Bleibst du noch ein bisschen?«
    »Ich denke schon. Ein bisschen Ferien und gutes französisches Essen wären nicht schlecht.« Sie runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Deine Hände zittern, Willa. Das spüre ich. Du warst schon schlecht beieinander, als ich ankam, und ich habe alles noch schlimmer gemacht, fürchte ich.«
    Willa schüttelte den Kopf. »Du hast nichts dergleichen getan. Ich bin so froh, so unendlich erleichtert, dass er lebt. Er ist mein Herz und meine Seele, und zu wissen, dass er nicht gestorben ist, dass er …« Sie brach ab, als ihr wieder Tränen zu kommen drohten. Sie bemühte sich um Fassung und sagte dann: »Ich glaube, ich brauche jetzt frische Luft und mache einen Spaziergang.«
    »Das ist eine gute Idee. Ein Spaziergang macht den Kopf wieder frei. Ich gieß mir noch etwas Kaffee ein, während du fort bist, und später kannst du mich vielleicht

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