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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Südpol aushalten.«
    »Wie wär’s dann mit Indien? Oder Afrika? Dem dunklen Kontinent?«
    Jennie lachte. » England ist der dunkle Kontinent. Machen Sie einen Spaziergang in Whitechapel, durch die Flower oder die Dean Street, durch die Hanbury Street oder Brick Lane, wenn nötig. Ich war immer der Meinung, britische Politiker und Missionare sollten zuerst vor ihrer eigenen Tür kehren, bevor sie losmarschieren, um die Afrikaner auf den rechten Weg zu bringen.« Sie hielt inne und sah ihn an. »Ich höre mich schrecklich selbstgerecht an, nicht wahr?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Sie Schwindler.«
    Jetzt musste Seamie lachen.
    »Ich habe einfach das Gefühl, dass es hier so viele wichtige Dinge zu entdecken gibt, Mr Finnegan.«
    »Seamie.«
    »Seamie. Man muss nicht weit reisen. Die Kinder zu beobachten, wie sie Rechnen und Schreiben lernen und wie sie Kipling und Dickens lesen, fasziniert von der Handlung und den Charakteren in diesen Büchern, zu sehen, wie ihre kleinen Gesichter aufleuchten, wenn sie ihre eigenen Entdeckungen machen … Nun, ich weiß, das sind keine Berge und Flüsse, aber es gibt nichts Aufregenderes. Für mich zumindest nicht.«
    Seamie bemerkte, wie Jennies eigenes Gesicht aufleuchtete, während sie über die Kinder sprach. Das Funkeln ihrer Augen und die geröteten Wangen machten sie sogar noch hübscher.
    Sie erreichten die Cable Street, wo auf dem samstäglichen Markt reges Treiben herrschte. Händler priesen Waren aller Art an. Ein Obstverkäufer verhökerte die letzten Herbstäpfel. Metzger wogen Schnitzel für ihre Kunden ab. Fischhändler schlugen die Köpfe von Lachsen, Schollen und Schellfischen ab. An einem Kleiderstand rauften sich Frauen um gebrauchte Kinderschuhe.
    »Das sind aber eine Menge Kartoffeln für zwei Leute«, bemerkte Seamie, als Jennie fünf Pfund bei einem Gemüsehändler kaufte.
    »Ach, das ist nicht nur für meinen Vater und mich, sondern auch für die Kinder.«
    »Die Kinder?«, fragte Seamie verwirrt.
    »Ja, ich koche auch für sie. Meistens gefüllte Teigtaschen. Die mögen sie sehr gern.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie Kinder haben«, sagte Seamie.
    »Habe ich auch nicht. Ich meine die Schulkinder. Die sind immer hungrig. Manchmal sind die Teigtaschen das Einzige, was sie den ganzen Tag zu essen kriegen.«
    »Ach richtig. Natürlich«, entgegnete Seamie. Bei dem Gedanken, sie hätte Kinder – und einen Ehemann –, hatte er plötzlich einen Moment lang Eifersucht verspürt.
    Jennie legte die Kartoffeln in den Korb, bezahlte den Händler und wollte den Korb hochheben.
    »Bitte, Miss Wil… Jennie. Darf ich ihn für Sie tragen?«
    »Wirklich? Das wäre eine große Hilfe.«
    »Aber gern«, antwortete er und nahm den Korb. Er lud auch eine Menge Brot vom Bäcker, zwei Pfund Lamm vom Metzger und Muskatnuss vom Gewürzhändler in den Korb. Ihm fiel auf, wie geschickt sie es schaffte, überall ein paar Pennys herunterzuhandeln, und er fragte sich, was ein Pfarrer wohl verdiente. Nicht viel vermutlich. Und wahrscheinlich wurde ein Großteil davon für das Essen, die Bücher der Kinder und für Kohle verwendet.
    »Ich denke, ich hab jetzt alles«, sagte Jennie, nachdem sie noch ein halbes Pfund Butter erstanden hatte. »Meine Güte, ich sollte mich schleunigst auf den Heimweg machen. Mein Dad wird bald zurück sein und seinen Tee haben wollen. Und er wird müde sein, denn heute besucht er die Kranken in der Gemeinde. Es geht das Gerücht, auf der Kennet Street sei die Cholera ausgebrochen. Hoffentlich ist es nur ein Gerücht.«
    » Cholera? Das sind aber gefährliche Besuche.«
    Jennie lächelte traurig. »Ja, sehr. Meine Mutter ist daran gestorben. Sie hatte sich mit Typhus angesteckt. Das war vor zehn Jahren.«
    »Das tut mir leid«, sagte Seamie.
    »Danke. Aber glauben Sie, das würde meinen Vater davon abhalten? Überhaupt nicht. Er glaubt, dass Gott ihn beschützt.« Sie schüttelte den Kopf. »Sein Glaube ist so stark. So absolut. Ich wünschte, bei mir wäre es genauso. Was aber nicht der Fall ist. Ich fürchte, ich verbringe mehr Zeit damit, mit Gott zu hadern, als ihn zu preisen.«
    Jennie atmete tief ein und wieder aus, und Seamie fragte sich unwillkürlich, wie es wohl war, sich um todkranke Menschen zu kümmern. Ihre elenden Behausungen aufzusuchen, in die die meisten Ärzte keinen Fuß setzten. Die Mutter durch Typhus zu verlieren. Jeden Tag seines Lebens mutig der Unwissenheit und Armut zu trotzen. Und ihm wurde klar, dass Mut viele Gesichter

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