Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
der kurz nach dieser Begegnung den Jugendroman »Wolftagebuch« schrieb. Seit diesem Erlebnis kommt Connolly jeden Sommer nach Yellowstone – und leibt immer länger, zuletzt drei Monate. Um näher bei den Wölfen zu sein, ist er von New York nach Oregon gezogen.
Connolly, die Rickmans und viele andere Beobachter, die regelmäßig im Park sind, arbeiten inzwischen als Freiwillige für McIntyre, der für jede Hilfe dankbar ist. Manche kommen stets zur selben Zeit und können so schon eingeplant werden. Sie haben ein eigenes Sprechfunkgerät und eine Funknummer (klar, dass die Rickmans die Nummer ihrer Lieblingswölfin erhalten haben). Dann stehen sie sich in ihrem hart verdienten Jahresurlaub von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, von minus 30 bis plus 30 Grad Celsius die Beine in den Bauch, beobachten die Wolfsrudel und melden jede Bewegung an den Biologen. Manche sprechen in ein kleines Diktiergerät, andere führen sorgfältig Buch. Die Aufzeichnungen dieser Helfer sind von unschätzbarem Wert für das Wolfsprojekt, das – wie jedes staatliche Projekt – unter chronischem Geldmangel leidet.
Die Veteranen unter den Wolfsbeobachtern haben gelernt, dass jeder, der wie McIntyre oder die Rickmans ein Sprechfunkgerät hat, für gewöhnlich weiß, wo die Wölfe sind. Und so folgt oft ein Pulk Autos dem blauen Allrad »Wolf 39«, wenn er durch den Park fährt.
Wildtierbeobachtungen sind auch in anderen Teilen Yellowstones möglich. Besonders Grizzlys findet man im Frühling und Frühsommer neben dem Lamar Valley in der Nähe von Madison. Aber Wölfe sind eindeutig die beliebtesten Attraktionen.
Corina Orth, Anke Gise und Sabrina Müller, drei Freundinnen aus Deutschland, haben den langen Flug nicht gescheut, um einmal ihren Lieblingstieren nah zu sein. Und es hat sich gelohnt. Im Februar 2002 hatten sie eine »Begegnung der besonderen Art«. Sie beobachteten gerade in der Nähe der Straße zwei Wölfe, die an einem Hirschkadaver fraßen. Plötzlich interessierten sich die noch jungen Tiere für die Beobachter und näherten sich den Frauen bis auf wenige Meter.
»Wir konnten es nicht fassen«, erzählen sie mit glänzenden Augen. »Nie hätte ich gedacht, einmal einem wilden Wolf gegenüberzustehen«, schwärmt Sabrina Müller. Aber so faszinierend die Begegnung auch war, so traurig war sie auch. »Wir wussten, dass es nicht gut für die Wölfe war, uns so weit zu nähern«, fürchtet Corina Orth, die eine Hundeschule auf Sylt betreibt und sich im Verhalten von Kaniden auskennt. »Hier im Park sind sie geschützt, aber was, wenn sie aus dem Park herauskommen und Menschen nicht fürchten? Das wird ihr sicherer Tod sein.« Und so hat die atemberaubende Begegnung auch ein wenig Trauer und Angst um die Wölfe hinterlassen.
Solche Erlebnisse wünschen sich alle, die aus der ganzen Welt in den Yellowstone-Park kommen, um die Wölfe zu sehen. Die Beutegreifer zu finden, ist nicht schwer. Man fährt einfach nur die Straße durch das Lamar Valley auf und ab und hält Ausschau nach einer Parkbucht voller Autos und einer Gruppe Menschen, die mit Ferngläsern, Spektiven und telebestückten Kameras alle in dieselbe Richtung schauen.
Nach Auffassung des Managers des Super 8 Hotels in Gardiner, Montana, wächst die Zahl der Wolfsbeobachter ständig. Die Wölfe haben einen völlig neuen Markt für den Tourismus erschlossen, ganz besonders für die Geschäfte in dem kleinen Ort am Nordeingang des Parks.
»Wir rechnen in den nächsten Jahren mit steigendem Umsatz«, freut sich Elton Taft, dessen Hotel ein »Wolfsjournal« in der Lobby ausgelegt hat. Die Besucher können ihre Wolfsbeobachtungen aufschreiben und die anderer Gäste lesen. »Die Wölfe hier begeistern die Menschen auf jeden Fall«, meint Taft. »Es ist schon eine Art Kult geworden. Die Wolfsfans kommen aus Kalifornien und von der Ostküste, um einmal einen Blick auf ihre Lieblinge zu werfen. Ökotourismus liegt im Trend, und dafür werben wir auch hier.«
Das Hotel gibt Wolfsbeobachtern sogar eine Ermäßigung. »Wolfwatchers Welcome« steht auf der großen Anzeigetafel vor dem Eingang. Man sollte die Begeisterung jedoch nicht überbewerten. Im Herbst zu Beginn der Jagdzeit steht auf der Tafel »Hunters Welcome«.
Die Wölfe haben sich wirtschaftlich positiv für den Park und die umliegenden Ortschaften ausgewirkt; viele Outfitter und Veranstalter haben inzwischen das ökonomische Potenzial von Wolfsbeobachtungen erkannt. Sie bieten immer mehr Wolfstrips an, um die
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