Die Wohlgesinnten
Brunnens, die Ruinen rundum Lügen zu strafen. Als ich auf das Peristyl zuging, grüßten die Soldaten zwar, versperrten mir aber denWeg; erstaunt sah ich, dass sie alle die weißen Armbinden der Hiwis trugen. Einer von ihnen verlangte in holprigem Deutsch meine Papiere, und ich reichte ihm mein Soldbuch. Er prüfte es, salutierte, gab es mir zurück und erteilte einem seiner Kameraden auf Ukrainisch einen Befehl. Dieser bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich stieg die Stufen zwischen den Säulen empor, die Glasscherben und Stucktrümmer knirschten unter meinen Stiefeln, und betrat das dämmrige Gebäude durch eine große türlose Maueröffnung. Gleich dahinter stand eine Reihe rosa Schaufensterpuppen, angetan mit höchst unterschiedlichen Kleidungsstücken, Frauenkleidern, blauen Arbeitsanzügen, Zweireihern; die Figuren, einigen war der Schädel zerschossen, trugen noch immer ihr nichtssagendes Lächeln zur Schau, hielten die Hände erhoben oder waren in einer jugendlich fahrigen Geste erstarrt. Dahinter, im Dunkeln, standen Regale, noch voller Haushaltswaren, zerstörte oder umgekippte Vitrinen, Ladentische, mit Gips und Trümmern bedeckt, Verkaufsstände mit getüpfelten Kleidern und Büstenhaltern. Ich folgte dem jungen Ukrainer durch die Gänge dieses gespenstischen Kaufhauses bis zu einer Treppe, die von zwei weiteren Hiwis bewacht wurde; auf Befehl meines Führers ließen sie mich durch. Er geleitete mich in ein Kellergeschoss, das funzelige Glühbirnen in ein diffuses Licht tauchten. In den Gängen und Räumen wimmelte es von Offizieren und Soldaten der Wehrmacht in abenteuerlichen Uniformstücken, in vorschriftsmäßigen Mänteln, grauen Wattejacken oder russischen Soldatenmänteln mit deutschen Hoheitszeichen. Je weiter wir vordrangen, desto wärmer, feuchter und schwerer wurde die Luft, ich schwitzte höllisch unter meinem Pelzmantel. Wir stiegen noch weiter hinunter, durchquerten dann einen großen hohen Einsatzraum mit überladenem Glaskronleuchter, Louis-seize-Möbeln und Kristallgläsern, die zwischen Karten und Akten verstreut herumstanden; aus einem aufziehbaren Grammofon,das auf zwei Kisten mit französischem Wein stand, ertönte knisternd eine Mozartarie. Die Offiziere arbeiteten in Trainingshosen, Pantoffeln und sogar kurzen Hosen; auf mich achtete niemand. Am Ende des Saals öffnete sich ein weiterer Korridor, und ich sah endlich eine SS-Uniform: Der Ukrainer übergab mich einem Untersturmführer, der mich zu Möritz führte.
Der Feldpolizeidirektor, eine Bulldogge mit Goldrandbrille, dessen ganze Uniform aus einer Hose mit Trägern und einem fleckigen Unterhemd bestand, empfing mich ziemlich unwirsch: »Na endlich. Ist jetzt fast drei Wochen her, dass ich jemanden angefordert habe. Heil Hitler.« An seiner Hand, die er fast bis zu der Glühbirne hochreckte, die über seinem mächtigen Kopf brannte, glänzte ein schwerer Silberring. Irgendwie kam er mir bekannt vor: In Kiew hatte das Kommando mit der Geheimen Feldpolizei zusammengearbeitet, da mussten wir uns im Korridor über den Weg gelaufen sein. »Ich habe meine Abkommandierung erst vor vier Tagen erhalten. Ich konnte beim besten Willen nicht schneller kommen.« – »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Es liegt an diesen beschissenen Schreibstubenhengsten. Setzen Sie sich.« Ich befreite mich von Mantel und Schapka , legte beides auf mein Gepäck und suchte mir in dem vollgestopften Büro einen Platz. »Wie Sie wissen, bin ich kein SS-Offizier, meine Gruppe der Geheimen Feldpolizei ist dem AOK unterstellt. Aber als Kriminalrat habe ich den Befehl über alle Polizeikräfte im Kessel. Das ist eine etwas heikle Situation, aber wir verstehen uns gut. Um die Exekutivaufgaben kümmern sich die Feldgendarmen oder meine Ukrainer. Ich habe insgesamt achthundert, na gut, wir hatten Verluste. Sie sind zwischen zwei Kommandanturen aufgeteilt, dieser und einer anderen im Süden der Zariza. Sie sind der einzige SDOffizier im Kessel, daher sind Ihre Aufgaben recht vielfältig. Mein Leiter IV wird Ihnen das im Einzelnen erläutern. Erwird sich auch um Ihre Verwaltungsprobleme kümmern. Er ist ein SS-Sturmbannführer, daher werden Sie ihm, von Dringlichkeitsfällen abgesehen, über alles Bericht erstatten, und er wird dann mich in Kenntnis setzen. Halten Sie die Ohren steif.«
Mantel und Reisegepäck unter dem Arm, trat ich auf den Gang hinaus und wandte mich wieder an den Untersturmführer: »Zum Leiter IV, bitte.« – »Hier entlang.« Ich folgte ihm zu einem
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