Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
überreichte einen dick gefüllten Briefumschlag. Der große Mann nickte, schob ihm den Koffer hin und ging.
»Wer war das?«, fragte Gwaine misstrauisch.
»Vaslav.« Lance hob den Koffer auf und spannte sich unter dem Gewicht plötzlich an. »Anscheinend hat er alles.«
»Vertraust du ihm?«
»Natürlich nicht. Aber ich bezahle mit Dollars.«
»Was hat er über die Bogatyri gesagt?«, fragte Billi. Lance zog die Augenbrauen hoch, erstaunt, dass sie das Wort aufgeschnappt hatte.
»Er sagt, sie wären in den Sperlingsbergen an der Arbeit, auf der Jagd nach Vampiren.« Lance hob die Hand. »Wie sagt ihr doch gleich – nach Ghulen?« Er hatte sich immer noch nicht an den arabischen Ausdruck gewöhnt, den die Templer für die Blutsauger benutzten. »Es wäre gut für uns, die Suche dort zu beginnen.«
Die Rezeption lag halb verborgen im Schatten der Treppe. Die gleißend weiße Glühbirne der Tischlampe leuchtete niedrig über den kahlen Kopf des Rezeptionisten hinweg. Er stand auf und lächelte.
»Meine Freunde. Amerikaner?«
»Engländer«, sagte Gwaine.
»Franzose«, sagte Lance.
Der Rezeptionist klatschte ein Mal in die Hände, und sein Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen, das eine Reihe schwarzer Zähne entblößte. »Besser als Amerikaner. Ich heiße Jorge.« Er duckte sich hinter eine Wand und holte einen Stapel Karten hervor. »Füllen Sie das bitte aus.«
Sie teilten sich jeweils zu zweit ein Zimmer, Billi mit Elaine. Das einzige Badezimmer lag am Ende des Flurs, und sie teilten es mit drei weiteren Zimmern. Billis und Elaines Zimmer ging auf eine Ziegelmauer hinaus. Die Betten knarrten, und die Matratzen hingen in der Mitte durch. Ein Stapel hellgrüner Bettwäsche lag gefaltet am Fußende jedes Betts.
Während Elaine sich die Bar unten ansehen ging, ließ Billi ihren Rucksack auf eines der Betten fallen und schloss die Tür ab. Sie ging zum Waschbecken, um sich frischzumachen, und erhaschte ihr Gesicht im Spiegel. Das Bild im Glas sah sie aus kalten, tödlich schwarzen Augen an. Was lag in diesen Augen? Pflichtgefühl? Kays hatten vor Hoffnung gestrahlt; die ihres Vaters brannten vor Leidenschaft. Ihre eigenen waren dunkel und undurchdringlich.
Sie war müde. Nein, sie war erschöpft. Aber sie würde nicht ruhen, bis sie Wassilissa gerettet hatten. Und dann? Der erstbeste Flug nach Jerusalem, Jahre der Ausbildung und Entbehrung als Templerin. Angst, Schmerz und höchstwahrscheinlich ein früher Tod. War das das Leben, für das sie Wassilissa retten wollte?
Aber was, wenn sie nicht befreit werden konnte? Arthur hatte recht; Billi durfte nicht zulassen, dass Baba Jaga Wassilissa bekam. Sie würde sterben müssen.
Welche Wahl hatte Billi denn? Gar keine. Sie weihte Wassilissa dem Untergang, wenn sie sie rettete – und auch, wenn sie es nicht tat.
18
Der alte Koffer, den Lance schwungvoll aufs Bett beförderte, landete mit einem dumpfen Aufprall. Gwaine schloss die Tür ab und vergewisserte sich, dass die Vorhänge vollständig zugezogen waren. Alle vier hatten sich in Gwaines und Lance’ Zimmer versammelt und standen um den Koffer herum, als Lance ihn aufklappte.
» Et voilà «, sagte Lance.
Der Koffer enthielt etwa ein halbes Dutzend Pakete, alle ordentlich eingewickelt und mit Klebeband verschlossen. Billi hob eines hoch und riss die Luftpolsterfolie ab.
»Gefällt’s dir?«, fragte der Franzose.
»Ja.« Sie zog den Kukri aus seiner schlichten Scheide. Das bösartige Gurkha-Messer war wie eine Machete, mit asymmetrischer Klinge, die nahe der Spitze breit und schwer war und so beim Schneiden eine größere Wirkung erzielte. Der Griff bestand aus Knochen, ein nettes Detail, das bedeutete, dass er einem nicht entgleiten würde, wenn die Situation sich blutig entwickelte.
Das Katar war gleichermaßen schlicht und sehr funktional. Vaslav kannte sich mit Messern aus. Das Heft war H-förmig, mit einem kordelumwickelten Griff am kurzen Querbalken. Die Klinge war wie ein langes, gleichschenkliges Dreieck geformt; die Spitze bestand aus gehärtetem Stahl und war darauf ausgelegt, Rüstungen zu durchstoßen. Billi hatte das Katar ihres Vaters einmal an einem toten Schaf ausprobiert, das sie für ein Grillfest gekauft hatten. Die Waffe hinterließ tiefe, klaffende Wunden, die nicht leicht heilten. Ein paar Stiche damit würden jeden Mondsüchtigen erschüttern. Wenn sie die Scheide ein wenig anpasste, würde sie sie gut hinten am Gürtel tragen können. Den Kukri schnallte sie sich an
Weitere Kostenlose Bücher