Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Kampf plötzlich vorbei, und das Flugzeug hob geschmeidig ab und stieg in die Wolken auf.
Iwans blau geschlagene Wange war nun dick geschwollen und glänzte; er zuckte zusammen, als er sein Headset zurechtrückte.
»Tut das sehr weh?«
»Willst du mir einen Kuss geben, damit es besser wird?«
Billi grinste. »Wenn ich das tue, stürzen wir ab.«
»Du setzt ja großes Vertrauen in deine Küsse.«
»Nein. Ich setze nur kein großes Vertrauen in deine Flugkünste«, erwiderte Billi und sah hinaus zum schwarzen Horizont. »Na, wohin geht denn unser erster gemeinsamer Ausflug? Ich hoffe, es ist etwas Besonderes.«
»Nach Süden, zur ukrainischen Grenze. Von dort aus fliegen wir nach Westen. Dann werden wir schon einen Ort finden, an dem wir landen können«, sagte Iwan.
»Gibt es keinen Flughafen dort, wo wir hinwollen?«
»Für ein Flugzeug wie dieses brauchen wir keinen. Nur einen geraden Straßenabschnitt. Aber bis dahin dauert es noch ein paar Stunden – warum schläfst du also nicht ein bisschen?«
Sie schwiegen erst einmal. Das Dröhnen des Motors erfüllte das kleine Cockpit, aber Billi konnte nicht schlafen. Sie starrte nur aus dem Fenster.
»Also … wie sieht der Plan aus, Billi SanGreal?«, fragte Iwan, ohne den Blick vom fernen Horizont zu wenden.
Billi lachte beinahe – erst Elaine, dann Iwan! Alle glaubten, dass sie die Führung übernehmen würde.
»Hast du keinen?«
»Ich? Ich bin der Schöne hier. Du bist das Gehirn.«
»Schlau, aber hässlich, meinst du?«
Iwan warf ihr aus dem Augenwinkel einen amüsierten Seitenblick zu. »Ich habe nie gesagt, dass du hässlich bist. Ich habe gesagt, dass du interessant aussiehst.«
»Und ich nehme an, normalerweise gehst du nur mit Supermodels aus?«
»Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber … ja. Das tue ich wohl.«
Toll. Interessantes Aussehen gegen langbeinige Glamourgirls. Da fiel die Entscheidung ja nicht schwer.
»Aber man kann sogar der Vollkommenheit müde werden.« Iwan nahm eine Hand von der Bedienungsleiste, um Billi eine Haarsträhne zurückzustreichen, die sich gelöst hatte. »Ich mag es, wenn ein Mädchen etwas … kriegsversehrt ist.«
»Du glaubst, ich bin kriegsversehrt?«, schnaubte Billi und ließ sich mit verschränkten Armen tiefer in ihren Sitz sinken. »Du weißt ja wirklich, wie man so richtig mit einem Mädchen flirtet!«
»Billi …«
»Nein, entschuldige dich nicht. Es ist doch gut, dass es nur etwas Kurzes wird.« Etwas sehr Kurzes. Es war jetzt beinahe Freitag. Samstagnacht würde Vollmond sein. Keine Wassilissa, keine Zukunft.
»Ja, ich weiß. Wenn wir scheitern.« Iwans Augen wurden wieder stahlgrau. »Das werden wir nicht.«
»Ich wünschte, ich hätte deine Zuversicht.«
»Sag mir, was du planst.«
»Wir finden Wassilissa.«
»Und dann?« Iwan sah sie nicht an, aber er war nicht dumm. Er wusste, was Billi würde tun müssen – welches Opfer sie würde bringen müssen, um alle anderen zu retten.
»Wenn wir nur ein paar Tage mehr hätten …«, überlegte Billi laut.
»Was für einen Unterschied würde das machen?«
»Baba Jaga hat einen Schwachpunkt. Das Problem ist nur, dass die Waffe, die wir gegen sie einsetzen könnten, noch in London ist.«
Sie erklärte ihm, wie es um die Venusstatuette bestellt war und was Elaine ihr alles erzählt hatte.
»Wir haben keine Möglichkeit, Baba Jaga zu töten – das weißt du doch, oder?«, sagte Billi.
Iwan deutete auf den Rucksack. »Hast du keine Templer-Superwaffe darin? Ich dachte, euer Orden hätte all diese heiligen Reliquien. Habt ihr nicht den Heiligen Gral?«
Billis Gesicht wurde rot. »Äh, hatten wir. In gewisser Weise.«
»In gewisser Weise?«
»Darüber will ich nicht reden.«
Iwan lächelte; Billis sichtliche Verlegenheit machte ihn neugierig. »Erzähl’s mir.«
Billi schnaubte. »Er ist jetzt in Jerusalem, aber wir hatten ihn, sicher weggesperrt in unserer Reliquienkammer. Wir haben ihn einmal im Jahr herausgeholt, zu Ostern.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du weißt schon, um die Auferstehung zu feiern und so.«
»Und?«
»Und ich habe ihn fallen lassen.«
Iwan hustete laut. »Was ist dann passiert?«
»Was glaubst du, was passiert ist? Er ist zerbrochen.«
Iwan hustete wieder, versuchte aber, es zu unterdrücken. »Was hat dein Vater gesagt?«
Billi sah es noch genau vor sich. Die Ritter standen am Altar in der Temple Church; Gwaine war blass geworden und hielt noch immer das Samtkissen, von dem Billi den
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