Die Wolkenkinder
seine Gemahlin, gefolgt von einem halben Dutzend Diener.
Der Anblick war entmutigend: Zu beiden Seiten des Hauptflügels brannten die frisch und mit hohem Aufwand renovierten Seitenflügel lichterloh. Entsetzt und mit weit offenem Mund blieb Boos von Waldeck minutenlang stehen. Schließlich hatte er realisiert, dass die Flügel seines Schlosses wohl unwiederbringlich verloren waren – es ging einzig und allein nur noch darum, den Hauptflügel mit seinem unschätzbaren Mobiliar und den wertvollen Kunstschätzen aus aller Welt zu retten.
Als der Graf wieder zu Sinnen gekommen war fluchte er ungehemmt: „Dieser verdammte Hund! Jetzt ist endgültig Schluss! So wie die Rettungsarbeiten abgeschlossen sind, wird die Burg ohne langes Zögern genommen und der verrückt gewordene alte Kerl dort oben zur Rechenschaft gezogen – koste es, was es wolle!“
Randolf, Dietbert, Lothar, Amelie, der Oberst und seine Leute, ebenso wie alle Bediensteten versuchten zu retten, was noch zu retten war. Man rannte hektisch kreuz und quer, behalf sich mit Schüsseln, Töpfen und ähnlichem mehr, weil nicht genügend Eimer vorhanden waren, schöpfte verzweifelt Wasser aus den Brunnen und Wasserbecken des barocken Gartens, doch alles half nicht! Der Brand hatte sich einfach schon zu weit ausgebreitet, weil die Täter so schlau gewesen waren, das Feuer nachts und an unauffälligen Stellen zu legen, sodass man es erst sehr spät entdeckt hatte. Selbst als Dutzende von Stadtbewohnern mit ihren Eimern auch noch zu Hilfe kamen und man sogar mehrere Eimerketten zu Stande brachte, fraßen sich die unbarmherzigen Flammen weiter durch die wertvollen Räume des Schlosses.
Immer wieder splitterten neue Glasscheiben und ein Heer spitzer, grellgelber Flammen züngelte aus den Fensterrahmen Richtung Himmel. Und dann kam, was kommen musste: Das ganze Schloss zitterte, als ob es von einem gewaltigen Erdstoß erfasst worden wäre und der Dachboden des linken Flügels fiel mit großem Getöse in sich zusammen.
Für einige Momente hielten alle geschockt mit ihren Bemühungen inne und starrten entgeistert auf die schwarz verkohlten Balken, die jetzt, wie die Finger des Teufels persönlich, schroff zerborsten in den nächtlichen Himmel ragten.
Bis auf den quer in der Mitte der Anlage liegenden Hauptflügel brannte das Schloss komplett nieder, es roch noch tagelang in der ganzen Stadt nach Rauch und auf allen Dächern, Fassaden, Straßen und Plätzen klebte schmierig schwarzer Ruß.
Der Graf war außer sich vor Wut und auch in der Bevölkerung wuchs der Hass auf den Alten in den Bergen.
Gleich am nächsten Tag berief der Oberst eine neue Dringlichkeitssitzung des Kriegsrates ein. Man diskutierte einen Vorschlag nach dem anderen und verwarf sie alle wieder, bis Dietbert sich an eine Begebenheit aus seiner Zeit im Krieg erinnerte: „Wir belagerten ein gut befestigtes kleines Dorf, dessen Mauern ähnlich der Burg waren: Also nicht aus Holz, sondern aus schweren Steinbrocken. An ein Niederbrennen war auch hier nicht zu denken. Mit der Zeit – wir belagerten die Ortschaft schon mehrere Monate – sammelte sich um die Mauern jede Menge Unrat an, denn nicht nur wir schmissen unsere Abfalle in den Stadtgraben, sondern auch die Bewohner des Ortes warfen von oben alles Mögliche herunter. Auf diesen Müllbergen wucherte das Unkraut wie verrückt, obwohl wir damals einen sehr trockenen Sommer hatten. Eines Tages fing der ganze Dreck Feuer. Wir dachten uns nichts weiter dabei, freuten uns nur, dass es nun endlich mit dem fürchterlichen Gestank vorbei sein würde, der von der wilden Müllkippe ausging. Womit wir allerdings nicht gerechnet hatten war, dass das Feuer überhand nahm, bis die Flammen rings um das Ort so hoch wie die Mauerkronen loderten und das über viele Stunden hinweg. Das hätte den Mauern wahrscheinlich nichts ausgemacht, was dann aber geschah war verblüffend: Das Feuer hatte, wie gesagt, die Ortschaft eingeschlossen – bildete also einen Ring. Nun wisst ihr ja alle, dass Feuer Luft verbraucht und über die vielen Stunden hinweg entzog der Feuerring den Einwohnern des Marktfleckens ihre komplette Luft. Erst hörten wir in der Ortschaft schweres Husten, dann Röcheln und schlimmes Wehklagen, schließlich, nach vielen Stunden, öffnete jemand die Pforten und kroch heraus und wir sahen das grausame Ergebnis: Viele Kinder und Alte und auch einige Schwache waren den Dämpfen, der Hitze und dem Luftmangel
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