Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
die sie die ganze Zeit über angehalten hatte.
»Ich kann mir nichts Schrecklicheres vorstellen«, fuhr Philippa fort, »als dass Pferdemeisterinnen gegeneinander kämpfen oder sich ein Geflügeltes Pferd gegen ein anderes stellen muss.«
Es folgte eine Pause, dann stand ein Mädchen der dritten
Klasse auf. Es war Beril. Sie neigte höflich den Kopf vor Philippa, doch sie sprach mit harscher Stimme. »Mein Vater sagt, wir werden gebunden, um den Befehlen des Fürsten zu gehorchen, Meisterin Winter. Er sagt, das wäre unsere Pflicht.«
Einige der Schülerinnen und eine oder zwei der Lehrerinnen an ihrem Tisch murmelten zustimmend.
Philippa wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war, dann sagte sie langsam: »Ich glaube, das kommt auf die Befehle an, Beril. Wir werden nicht sechs Jahre lang hier an der Akademie ausgebildet und widmen dreißig oder noch mehr Jahre unseres Lebens den Geflügelten Pferden, um einfach nur blinden Gehorsam zu leisten. Welche Pflicht verlangt von uns, alles beiseitezuschieben, was wir wissen, nur weil es uns ein höher Gestellter befiehlt?«
Im Raum wurde es unruhig, einige Mädchen sprangen auf und scharrten mit den Stühlen über den gefliesten Boden. Philippa sah, dass einige die Köpfe zusammensteckten und flüsterten, anderen begannen sich über ihre unberührten Salatteller hinweg anzuzischen. Die Kellnerinnen standen unsicher im Eingang und hielten Tabletts mit Fisch bereit, der langsam kalt wurde, während der Lärm im Saal anschwoll.
Susanna stand langsam auf und stützte sich dabei auf dem Tisch ab. Philippa erinnerte sich, dass Margret es genauso gemacht hatte, sie hatte sich mit den Händen abgestützt, als würde sie die Last der Verantwortung körperlich spüren. Susanna Stern war zu jung, sich so zu bewegen. Auch dafür musste Wilhelm sich verantworten, obwohl Philippa bezweifelte, dass ihn das interessierte.
»Ruhe!«, rief Susanna über den Lärm hinweg. Als der Lärm nicht weniger wurde, schlug sie so fest mit der flachen
Hand auf den Tisch, dass das Besteck klapperte. »Ruhe, bitte!«
Nach und nach verstummten die Stimmen, und obwohl sie zum Teil noch verärgert aussahen, setzten sich die Mädchen wieder auf ihre Plätze. Susanna winkte den Bediensteten zu, und sie liefen wieder zwischen den Tischen hindurch. Sie und Philippa setzten sich.
»Ich weiß nicht, was ich noch sagen könnte«, erklärte Philippa. »Ich war überhaupt keine Hilfe.«
»Der Konflikt geht zu tief«, erwiderte Susanna.
Sarah Pfeil, eine Nachwuchskraft, sagte: »Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas in unserem Fürstentum erlebe.«
»Ich weiß nicht, ob wir das überstehen«, erklärte Philippa finster. »Prinz Nicolas würde nur zu gern die Blutlinien übernehmen. Dann verliert Oc den einzigen Anspruch auf Unabhängigkeit.«
Das andere Ende des Saales geriet in Bewegung, und jemand trat durch die großen Türen. »Ist das nicht Felicitas Baron?«, fragte Philippa.
»Ja. Der Fürst hat Himmelsbaron zum Leittier seines Fohlens gemacht. Felicitas ist im Fürstenpalast stationiert worden.«
Die ältere Pferdemeisterin schritt entschlossen auf den höher gelegenen Tisch zu. Ihr wettergegerbtes Gesicht wirkte besorgt, und Philippa ahnte Schlimmes.
»Ich habe gedacht, dass der Fürst Felicitas schon längst entlassen hätte«, sagte Susanna leise, als die ältere Pferdemeisterin näher kam. »Sie ist immer so direkt.«
»Ich schätze, er brauchte dringend jemanden mit Erfahrung.«
Sie brachen ihr Gespräch ab, als Felicitas Baron auf das Podium trat und zu ihnen kam. Sie neigte den Kopf vor
Philippa und sagte ohne Umschweife. »Er ist auf ihr geritten.«
»Was? Wer ist geritten?«, fragte Susanna.
»Es geht um Diamant, nicht? Der Fürst hat sein Fohlen geritten.«
»Ja«, bestätigte Felicitas.
Es folgte erstauntes Schweigen an dem höher gelegenen Tisch. »Ich fasse es nicht! Ich habe nicht wirklich geglaubt …«, hob Susanna an.
»Ich hatte gehofft, dass sie es nicht zulassen würde. Es scheint kaum möglich«, sagte Philippa.
»Ich weiß.« Felicitas nickte. »Aber er hat es jetzt getan.«
»Wie ist es gelaufen?«, erkundigte sich Philippa.
Felicitas zuckte mit den hageren Schultern. »Es ist ein verwirrtes junges Pferd. Es hat extrem widersprüchliche Gefühle ihm gegenüber.«
»Und wie sieht der Fürst aus?«
»Sehr seltsam, Philippa. Und er verhält sich noch viel seltsamer.«
»Was geschieht jetzt?«, fragte Susanna. Die anderen Pferdemeisterinnen am Tisch beobachteten
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