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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Tag in aller Frühe ihre Nordic-Walking-Runde am Mainufer zu drehen.
    »Guten Morgen, Henriette. Gut, dass ich dich treffe. Ich muss dich unbedingt etwas fragen!« Rias Stirn kräuselte sich, und ihr Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.
    »Tut mir leid, aber das ist im Augenblick ungünstig.« Henry versuchte, trotz Eile nicht allzu unhöflich zu erscheinen.
    »Ganz kurz nur. Sag, ist dir in den letzten Tagen an Esma oder Ömer etwas aufgefallen? Sie waren ganz beleidigt, als ich gefragt habe, ob sie Ärger haben. Ist schließlich keine Schande, oder? Man hört immer wieder so schlimme Sachen. Und da muss man sich doch kümmern, unter Nachbarn. Ich meine es ja nur gut!«
    Henry trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sie würde einen Sprint zur Haltestelle einlegen müssen. Ihre verständnislose Miene brachte Ria dazu, noch etwas weiter auszuholen.
    »Es ist so, das hatte ich dir letztes Wochenende schon gesagt, dass hier so zwei Kerle aufgetaucht sind. Also nicht direkt hier, sondern gegenüber, da haben sie im Wagen gesessen und das Haus beobachtet, gegen Abend war das. So ein Kräftiger, mit einem stoppeligen Haarschnitt. Den anderen konnte ich nicht so genau sehen. Die sind seitdem noch zwei Mal da gewesen. An dem einen Tag ist der Stoppelige ausgestiegen, hat aber nur geguckt. Und gestern ist er rübergekommen und hat vor unserer Haustür gestanden. Dann ist er in den Laden rein. Das ist doch ungewöhnlich, oder etwa nicht?«
    Ria packte Henry am Unterarm und schüttelte sie, während sie mit den Laufstöcken in der anderen Hand auf den Boden klopfte, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen.
    »Die Esma hat behauptet, der hätte nur Zigaretten gekauft und sich erkundigt, ob hier eine Wohnung frei wäre und was hier so für Leute wohnen. Aber das glaube ich ihr nicht! Ich sag dir, die haben Schwierigkeiten. Das sind bestimmt so Schutzgelderpres ser, Schlägertypen. Hast du die nicht gesehen? Müsstest du eigent lich. Ach, wahrscheinlich warst du gestern zu beschäftigt. Du hattest ja einen Besucher dabei, als du heimgekommen bist, gell? Aber das war genau zu der Zeit.«
    Auf das Thema Männerbesuch wollte Henry genauso wenig eingehen wie auf die ominösen Fremden. Sie zwang sich zu einem Lächeln, während ein hässlicher Verdacht eine eisige Gänsehaut über ihre Unterarme schickte. Die Großmutter ließ das Rotkäppchen überwachen. Und den Wolf.
    »Ria, ich muss los. Sonst ist die Bahn weg. Ich rede mit Ömer, versprochen. Aber ich glaube, du machst dir umsonst Sorgen.« Oder zumindest um die Falschen, fügte sie im Stillen an. Ohne der Nachbarin noch eine Chance auf eine Erwiderung zu lassen, hastete Henry die Treppe hinunter.

    Es war gerade mal halb acht, als sie im Versorgungsraum eintraf. Eine knappe Stunde lang konnte sie noch ihren Gedanken nachhängen und versuchen, Ordnung in ihr inneres Durcheinander zu bringen. Das alles durfte nichts anderes als ein fieser Albtraum sein, der sich hartnäckig in ihrem Kopf hielt, weil sie verschlafen hatte. Fest entschlossen steuerte sie auf die Kühlkammer zu. Sie wünschte inständig, die Schachtel mit dem Ohr nicht mehr vorzufinden.
    Hinter ihr brummte der Aufzug überlaut in der morgendlichen Stille, und Henry schreckte zusammen. Niemand außer ihr benutzte diesen Aufzug, und auch sie nur zum Leichentransport. Verschlossen wurde er nie.
    Die Tür öffnete sich, und es erschien ein schlanker Mann von etwa fünfzig Jahren, in einem perfekt sitzenden hellgrauen Anzug. Die aschblonden Haare waren nicht weniger perfekt frisiert und zeigten erste silbrige Streifen. Die Art, wie er eine Augenbraue anhob und den Blick über sie hinweggleiten ließ, als sei sie nur Teil des Inventars, ärgerte sie.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«
    »Aber, aber, Frau Körner! Was ist das denn für eine unhöfliche Begrüßung? Wir sind doch Partner.«
    Seine heisere Stimme ließ sie schaudern. Die kannte sie vom Telefon!
    »Alfred Westermann«, stellte der Mann sich vor und rückte seine Krawatte zurecht. »Ich würde Sie ja gerne von unserem gemeinsamen Freund grüßen, aber bedauerlicherweise hat er mir keine Grüße aufgetragen.«
    Marlon Brando und Moosbachers neuer Geschäftsfreund Wester mann waren also ein und dieselbe Person. Und Jürgen sein Unter pfand für die fragwürdigen Aufträge, die Henry erledigen musste . Ein plötzlicher Schwindel breitete sich in ihrem Kopf aus.
    Jetzt betraten hinter Westermann auch noch Lolek und Bolek den Raum. Zwischen sich

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