Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
Vom Netzwerk:
ihr euch nicht gegen ihn wenden. Ihr werdet viel sehen. Seltsame Dinge, ungeheuerliche Dinge. Ich erkenne großes Leid in eurem Morgen. Aber bleibt bei ihm. In der Stadt des Lichts wird alles klar.
    »In welcher Stadt des Lichts?«
    Doch die Gestalt vor mir verliert an Substanz und verschwindet im Dunkeln.
    Zuletzt lösen sich die rot glühenden Augen auf.
    Der metallene Boden unter meinem Rücken erbebt.
    Ich habe alles geträumt.
    Nicht nur meinen Vater in Medford, sondern auch die geflügelte Gestalt.
    Ich öffne die Augen. Es kommt kein Licht mehr durch die Ritzen in der Decke – offenbar ist es Nacht.
    Das Geräusch, das mich geweckt hat, existiert tatsächlich: ein dumpfes Kratzen links von mir. Etwas bewegt sich in der Dunkelheit, und es versucht, möglichst leise zu sein.
    »Wer ist da?«
    Meine Stimme vibriert und klingt unsicher.
    Das Geräusch hört plötzlich auf.
    »Wer ist da?«, frage ich noch einmal.
    Eine leise, zaghafte Stimme antwortet mir.
    Es ist die Stimme einer Frau, und sie antwortet mir aus der Finsternis. »Ich mache hier sauber. Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Wer bist du?«
    »Ich mache sauber. Ich bin fertig.«
    Ich wünsche mir eine Taschenlampe, um damit zu leuchten. Aber ich habe nichts dergleichen.
    »Hilf mir«, sage ich.
    »Wie kann ich dir helfen?«
    »Hast du etwas, mit dem man Licht machen kann?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Ich möchte diesen Raum verlassen.«
    »Ich kann dich begleiten.«
    »Dafür wäre ich dir dankbar.«
    »Bleib still liegen; beweg dich nicht.«
    Leise Schritte nähern sich mir, mit einem Knistern wie von trockenen Blättern. Aus irgendeinem Grund lässt mich das Geräusch schaudern.
    Immer näher kommen die Schritte, und plötzlich will ich nicht mehr, dass sie sich nähern.
    Stattdessen will ich, dass sie sich entfernen.
    Kalte Finger berühren mein Gesicht, ergreifen mein Handgelenk und führen mich durch die Dunkelheit.
    Als wir den Ausgang erreichen, bleibt die Frau stehen. Sie öffnet eine für mich unsichtbare Tür und tritt beiseite.
    Das einzige Licht im Korridor stammt von einer weit hinten an der Wand angebrachten Glühbirne. Nur wenig davon kommt bis hierher, aber das wenige genügt.
    Die Frau ist jung, und unter anderen Umständen wäre sie vielleicht sogar schön. Doch die blonden oder weißen Haare sind sehr kurz geschnitten, und sie ist dürr. Die Augen …
    Die Augenhöhlen sind leer. Dort sehe ich nichts als verschrumpelte Haut. Das Gesicht ähnelt einem Totenschädel.
    Die junge Frau ist blind und hält einen Besen in der Hand, hält ihn wie einen Gehstock.
    Ich stammele einige Worte des Dankes. Die Frau deutet eine Verbeugung an und will dann in die Dunkelheit zurückkehren.
    »Haben Sie kein Mitleid«, ertönt eine Stimme am Ende des Korridors.
    David Gottschall kommt auf mich zu, mit schweren Schritten, wie unter einer großen Last. In seinem Gesicht ist die Anstrengung jedes Schrittes deutlich zu sehen.
    »Sie ist eine Sünderin. Aber sie hat ihre Strafe fast verbüßt.«
    »Eine Sünderin? Und welche Sünde hat sie begangen?«
    »Ist das nicht offensichtlich? Haben Sie es nicht gesehen? Sie ist ein Scheusal!«
    »Ich habe nur eine blinde junge Frau gesehen.«
    »Sie ist blind, weil wir sie geläutert haben. Geboren wurde sie mit den Augen eines Scheusals, von einer Farbe, wie sie noch nie jemand gesehen hat. Vollkommen blau waren ihre Augen, ganz blau, ohne Weißes und ohne das Schwarz von Pupillen.«
    »Soll das heißen, Sie haben die Frau …«
    »Mit diesen Händen habe ich sie geläutert. Trotz des Risikos einer Ansteckung.«
    »Welcher Ansteckung?«
    »Ich habe riskiert, mich mit der Sünde anzustecken! Bei der Läuterung hätte ihr böses Fluidum in mich gelangen können.«
    Ich brauche meine ganze Kraft, um mich zu beherrschen.
    Meine Hände zittern und werden zu Fäusten. Auf der Zunge brennt das Verlangen, Gottschall zuzurufen, dass er wahnsinnig ist.
    Eine Hand legt sich mir auf die Schulter.
    »Genau Sie habe ich gesucht, Pater Daniels.«
    Durand lächelt. »Ich brauche Ihren Rat. Bitte entschuldigen Sie uns, David. Wir müssen das eine oder andere besprechen.«
    Gottschalls Gesicht zeigt Verwirrung. Er spürt, dass etwas nicht stimmt, aber offenbar weiß er beim besten Willen nicht, was er falsch gemacht hat.
    Er tritt beiseite und lässt uns passieren.
    »Danke. Wir sehen uns gleich wieder. Kommen Sie, Pater.«
    Durand hat die Hand um meinen Oberarm geschlossen, und während er mich zur Fahrerkabine führt,

Weitere Kostenlose Bücher