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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Tode erschöpft.
    Ich reiste mit ihm in einem ganzen Troß anderer Frauen, darunter natürlich auch Darja und Anna Tolstoja, in seine junge Stadt an der Newa. Mittlerweile stand die Peter-und-Pauls-Festung trutzig gegen die Wasser der Newa. Eine stattliche Anzahl Häuser waren durch die unermüdliche Arbeit der bemitleidenswerten Arbeiter errichtet worden. Die meisten der Zwangsarbeiter versuchten zu fliehen: Peter ließ sie deshalb scharf bei ihrer grausam harten Arbeit beobachten. Sie standen zu Tausenden mit wundem Rücken, geschwollenen Knöcheln und von den Mücken zerbissenem Fleisch im Marschwasser und kämpften darum, die Sümpfe trockenzulegen und die Newa und ihr Wasser in Kanäle zu drängen. Der Gestank in der heißen Sommerluft stand wie eine Wolke um die lärmende und schwitzende Masse, die in ihrer Verzweiflung zu ihrer Arbeit sang. Zu jedem Ton des düsteren, russischen Lieds fielen ihre Hacken und Hämmer auf den matschigen Grund. Ich suchte in den ausgezehrten Gesichtern, die zu mir aufsahen, nach bekannten Zügen: War mein Vater hier? Arbeiteten meine Brüder unter ihnen?
    Fast alles Baumaterial für die ersten Gebäude mußte herangeschifft werden – Peter wünschte sich eine Stadt aus Stein, mit so hohen und ebenmäßigen Fassaden, wie er sie in Europa gesehen hatte: In Moskau standen die Häuser noch wie Kraut und Rüben durcheinander. Momentan jedoch mußte er sich mit Holzbauten begnügen. Menschikow selber sagte als Statthalter von Sankt Petersburg: »Solange die Lage im Krieg so ist, wie sie ist, können wir nicht mehr als dies tun!«
    Peter sandte Verstärkungstruppen nach Sachsen, wo nun ein Angriff der gestärkten Schweden befürchtet wurde. In den folgenden beiden Jahren sollten die Generäle Scheremetjew, Ronne, Ogilvy, Bauer, Repnin und Golowin rastlos durch Litauen und Kurland ziehen. Im Sommer desselben Jahres nahmen seine Truppen dann Dorpat in Livland, einen Monat später eroberten sie Narwa und nur zwei Wochen darauf Iwangorod. Die Schweden wurden aus Kurland vertrieben und ein Angriff vom Meer aus auf das junge und verwundbare Sankt Petersburg abgewehrt.
     
    Als diese guten Neuigkeiten zu mir drangen, war ich wieder in Moskau, denn ich trug erneut ein Kind unter dem Herzen. Es war noch Anfang des Jahres bei meinem Aufenthalt in Sankt Petersburg gezeugt worden. Karoline Glück zwang mich zu strengster Bettruhe und achtete darauf, daß ich weder ausritt noch zuviel Wodka trank. Nur Peters Lust an der Liebe ließ sich nicht vom Eifer einer Pfarrersfrau abhalten.
    Mein Leib rundete sich zusehends. In jenem heißen Juni schien in Moskau selbst die Luft auf dem Roten Platz stillzustehen. Sie ballte sich über dem Kreml zu einer erstickenden Wolke. Die Fliegen hingen wie tot in den Nischen der Räume. Im Gebälk knisterte es vor Kakerlaken, die ausschlüpften. Peter ekelte sich so vor ihnen, daß er die Wände und den Dachstuhl mit heißem Pech bestreichen ließ, dessen Gestank uns noch mehr den Atem abschnitt.
    Ich bewegte mich in den Gängen von Peters Haus in Preobraschenskoje auf und ab, und mir war unsagbar langweilig dabei. Zehn Schritte nach vorne, einmal umdrehen, zehn Schritte zurück. Aber Karoline hielt meinen Arm mit eisernem Griff umklammert, so daß ich ihr nicht entkommen konnte. Dieses Mal sollte ich ein gesundes Kind gebären, dafür wollte sie eigenhändig sorgen. Ich schritt auf die Tür von Peters Arbeitsstube zu. Plötzlich wurde die Haustür von draußen so heftig aufgestoßen, daß ein wohltuender Luftzug durch den Gang wirbelte. In das Haus stürmte ein Bote, der sich vor Müdigkeit kaum geradehalten konnte. Er wurde von zwei Soldaten begleitet, die kaum in einem besseren Zustand waren als er selber. Ich wich unwillkürlich mit Karoline in den Schatten des Flurs zurück. Die Männer sahen uns nicht und klopften an Peters Tür. Sie strichen sich die vom Ritt verknitterten und verdreckten We sten glatt und klopften ihre Stiefel an den Holzdielen ab. Der daran getrocknete Matsch und Kot fiel in großen Brocken auf die Planken. Peter selber ließ sie ein. Karoline und ich lauschten angestrengt. Stille: Es war nichts aus dem Zimmer zu hören. Eine kurze Weile danach kamen die Boten mit betretenen Gesichtern wieder heraus. Ich hieß Karoline, ihnen den Weg in die Küche zu zeigen. Wenn sie gegessen hatten, so ließ ich sie wissen, konnten sie sich im Hof an der Pferdetränke waschen.
    Ich öffnete leise die Tür zu Peters Raum. Der Zar stand an dem Fenster mit den

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