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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Kammerjunker von dort mit Fußtritten: »Verflucht! Wenn Ihr hier Ordnung schafft, dann finde ich ja nie mehr etwas!« rief er.
    Ich sah in die Flammen, die vor meinen Augen tanzten. Mir war, als tauchten längst vergessene Gesichter darin auf, und ich blinzelte einige Male, um sie zu verjagen. Ich zwang mich, an Peters neuen Palast zu denken. Bei Kronstadt hatte Peter bereits den kleinen Pavillon Mon Plaisir erbaut: Seine Lage an der Bucht von Finnland hatte Peter gewählt, um den Bau seiner Flotte dort zu überwachen. Es war ein sanftes und grünes Land dort. Das Meer hatte die Buchten und Strände weichgeschliffen. Peter kam nun mit einigen Rollen Papier zurück und setzte sich wieder neben mich. »Ich habe diese Pläne schon sehr lange bei mir liegen, aber in den letzten beiden Jahren, seitdem ich an den Palast denke, war einfach zuviel los, um daran zu arbeiten! Allein das Gesetz zum Erbrecht hat mich Monate gekostet! Und immer noch weigern sich im ganzen Land die Adligen wie die Bauern, ihren gesamten Besitz und Grund nur ihrem ältesten Sohn zu überlassen!«
    »Und dabei machst du es doch nicht anders!« Ich wollte mir auf die Lippen beißen aus Ärger über meine Dummheit. Peter jedoch schwieg einen Augenblick und zog an dem Handschuh in Lisenkas Maul. Sie knurrte und schnappte danach. Dann sah er auf und umfaßte plötzlich meine Hand. »Schenk’ mir einen Sohn, Katerinuschka. Ich flehe dich an. Wenn es nur ist, damit ich wieder ruhig schlafen kann. Ich brauche nichts so dringend wie einen Sohn! Nur einen! Nur einen einzigen, um mich nicht vollkommen auf Alexej verlassen zu müssen! Mein schönes Rußland! Bitte!«
    Ich sah die Sorge tief in seinen Augen liegen und wurde von Liebe und Mitleid bewegt. »Wenn es in meiner Macht läge, mein Zar, wollte ich dir zehn starke Söhne schenken«, flüsterte ich, während ich seine Finger an meine Lippen führte und sie küßte.
    »Ich weiß, ich weiß …«, murmelte er abwesend.
    In diesem Augenblick hörten wir aus dem kleinen Gang vor dem Zimmer erregte Stimmen. Makarows Stimme schien sich vor Aufregung zu überschlagen: »Der Zar darf nicht gestört werden! Er ist mit der Zariza!«
    Peter sah auf und lauschte. Eine zweite Stimme begann mit Makarow zu streiten, und dazwischen wimmerte eine alte Frau.
    »Das ist Schafirow!« sagte Peter dann und ging mit langen Schritten zur Tür. Ich sah auf die Pläne für das neue Schloß Peterhof, die in meinem Schoß lagen. In diesem Garten, der über mehrere Stufen bis hin zur Bucht von Finnland fiel, so schwor ich mir, sollte unser Sohn spielen! Seine Lage an dem weich geschwungenen Meerbusen gegenüber Kronstadt war gut gewählt. Ich drehte die Rolle zur Seite und legte den Kopf schief, um die Anlage von einem anderen Winkel aus zu betrachten.
    Peter riß die Tür auf. Ich sah, daß Schafirow ein gefesseltes Weib und einen weiteren Mann bei sich hatte. Makarow drehte sich zu seinem Herrscher und zuckte entschuldigend die Schultern. »Was gibt es, Schafirow?« fragte Peter schroff. »Was machst du hier so einen Aufruhr? Kannst du nicht mit dem Radau bis zum Nachtmahl warten?« scherzte er dann doch, als er den verzweifelten Ausdruck im Gesicht seines alten Freundes sah.
    Schafirow faßte den anderen Mann unter. »Mein Zar! Erlaubt uns, vor die Zariza zu treten.«
    Ich hob erstaunt den Kopf und besah den alten Mann, der da bei Schafirow stand. Ich hatte ihn in meinem Leben nicht gesehen, und so nickte ich. Schafirow kam mit dem Mann näher und zerrte auch die gefesselte Frau mit sich. Sie schrie und jammerte, so daß ihr tabakfarbener Speichel ihr nur so über das Kinn lief. Ihre grauen Haare standen schmutzig und wirr in die Luft. Sie hatte nur noch ein Auge, das fast in Tränensäcken und Falten versank. Über das andere trug sie eine Binde aus dunklem, fleckigem Leintuch. Ihre Hände sahen aus wie Krallen. Die Fingernägel an den gichtigen Fingern waren lang und gekrümmt. Mit ihr kam ein widerlicher Gestank nach Schweiß, Wodka und menschlichem Auswurf in den warmen Raum. Ich schnappte nach Luft und hielt mir das parfümierte Taschentusch vor Mund und Nase, als ich fragte: »Ja?«
    Schafirow packte die Alte bei den Haaren und drückte sie in die Knie. Sie heulte auf. »Senk’ dein häßliches Gesicht vor der Zariza, alte Hexe!« fuhr er sie an. Sie jammerte leise vor sich hin. Peter stand mit ratlosem Gesicht hinter der kleinen Gruppe. Ich erhob mich. Die Rollen mit den Plänen vom Peterhof glitten dabei von meinem

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