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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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beflissen in seiner Ledertasche verstaute. »Töchter habe ich selber genug. Bringt denn der Kerl gar nichts zustande?«
    Eine Möwe tauchte im Sturzflug in die Wellen, und am Himmel zogen sich Wolken zusammen. Bei Peters Worten legte ich meine Hände wie zum Schutz gegen seine Worte um meinen Bauch. Auch ich war wiederum in gesegneten Umständen.
    Zwei Wochen später umzingelten wir die schwedische Flotte in der Bucht von Hangö. Der Kanonendonner machte die Soldaten taub, und der Pulverstaub ließ sie blind wie Maulwürfe werden. Nach der Schlacht trieben die traurigen Überreste der Schiffe auf den Wellen: zerfetzte Körper, Segeltuch und Holzplanken.
    Bald darauf verließ ich Finnland, um in Sankt Petersburg meine Tochter Maria zur Welt zu bringen. Das kleine Mädchen war jedoch zu schwach, um den Tag ihrer Geburt zu überleben. Peter verschwieg ihre Geburt wie auch ihren Tod in den wöchentlichen Briefen, die an die Höfe nach Europa gesandt wurden.
     
    Die junge Frau lief direkt in mich hinein, in solcher Eile war sie. Ich fing sie gerade noch auf, ehe sie mich mit sich zu Boden gerissen hätte. Ich hatte gerade gemeinsam mit Peter im Sommerpalast die Gegenstände und Körper für seine neu gegründete Kunstkamera bestaunt: Peter ließ in dieser Sammlung von Absonderlichkeiten und, so muß ich sagen, auch Abscheulichkeiten, seiner Lust am Andersartigen freien Lauf. Er hatte seit seiner Kindheit Mißgeschicke der Schöpfung ebenso wie seltene Waffen, Mitbringsel von seinen Reisen und auch Getier aller Art gesammelt. Nun wollte er in den Räumen unseres Sommerpalastes seine eigene Kunstkamera eröffnen! Seine Wahl stimmte mich traurig. Schließlich hatten wir von hier aus beobachtet, wie die Stadt mit jedem Tag ihres jungen Lebens wuchs. Peter hatte den Garten liebevoll nach dem Vorbild französischer Lustgärten anlegen lassen. Nun sollten seine Untertanen darin lustwandeln! Die Einwohner von Sankt Petersburg sollten seine Sammlung frei besuchen können und sich dabei mit Kaffee, Wein und Wodka erfrischen. In den Sälen waren nun unter anderem Lämmer mit drei Köpfen, ein Säugling mit vier Armen und ohne Beine, an der Brust zusammengewachsene Zwillinge, ein Kind mit Fischschwanz und zwei junge Hunde, die angeblich von einer sechzigjährigen Jungfrau geboren worden waren, in Alkohol eingelegt zu sehen. Als ich mich über den Verlust des kleinen Sommerpalastes beklagte, lachte Peter nur und sagte: »Warte nur ab! Ich baue dir einen Palast, viel größer und prachtvoller als du es dir vorstellen kannst!«
    So hörte ich zwar die hastigen Schritte auf mich zukommen, achtete jedoch nicht besonders auf sie: Zu viele Menschen waren in jenen Tagen mit eiligen Geschäften unterwegs. Erst als die junge Frau mich seitlich anstieß und mit einem zornigen Ruf ihren Beutel fallenließ, sah ich auf. Meine Schulter schmerzte von der Wucht des Aufpralls. Sie kniete sich nieder und schimpfte auf deutsch, während sie die Münzen, die aus dem Beutel gefallen waren, aufsammelte. Dann sah sie auf und erschrak, als sie mich erkannte. »Zariza! Herrin! Verzeiht!« rief sie erschrocken auf russisch.
    Ich rieb mir den Arm und erwiderte gutgelaunt: »Na, mich kann man ja wohl schlecht übersehen!« Das Mädchen errötete und lachte ebenfalls. Sie hatte nun alle Münzen aufgesammelt und wollte sich mit einem Knicks schon zum Weitergehen wenden, als ich sie am Arm griff. Ihre hellen Augen und ihre wilden, dunkelblonden Locken kamen mir bekannt vor.
    »Ich kenne dich doch! Haben wir uns nicht schon einmal gesehen?« fragte ich. Sie knickste noch einmal. »Allerdings …, wenn Ihr die Gnade habt, Euch zu erinnern – Anna Kramer ist mein Name. Ich habe Euch im Haus von Fjodor Matwejew Apraxin getroffen.«
    Ich lachte auf und zwickte sie in die Wange. »Natürlich! Bei Fedjuschka !« erinnerte ich sie scherzhaft. Sie errötete noch tiefer. »Was ist seitdem mit dir geschehen? Bist du noch in Apraxins Haushalt?« fragte ich sie.
    Anna schüttelte den Kopf und sah mit einem Mal sehr unglücklich aus. »Nein. Fjodor Matwejew machte mich dem General Balk zum Geschenk«, antwortete sie schlicht.
    »Aber der General Balk ist doch mit Anna Mons verheiratet! Und sie wird dich kaum unter ihrem Dach dulden!« erwiderte ich erstaunt.
    Anna nickte und zog die kleine, mit Sommersprossen übersäte Nase kraus, wie um ihre Tränen zu vertreiben. »Eben. Deshalb hat der General mich auch ohne Umschweife Marie Hamilton zum Geschenk gemacht, der er noch

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