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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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recht! Schon jetzt stark wie ein Bär!«
    Hinter uns konnte ich von Sophie Charlottes Bett ein schwaches Geräusch vernehmen. Ich ging zu ihr und sah auf sie hinunter. Blumentrost hatte sie nach der Geburt zur Ader gelassen. Wenn die Ärzte ihr noch weiter die heißen Gläser auf den Rücken setzten, so würde ihr das Leben aus dem Leib bluten. Nun hatte ihre Kammerfrau versucht, Sophie heiße Brühe mit Rotwein einzuflößen, doch sie behielt nichts bei sich.
    »Sophie Charlotte …«, sagte ich leise und beugte mich, so gut es mit meinem dicken Bauch ging, zu ihr nieder. Sie wandte den Kopf zu mir, öffnete jedoch ihre Augen nicht. Ihre Stirn war von einem grau schimmernden Schleier von Schweiß überzogen, und ihre Wangen glühten ungesund rot. Ich nahm ihre Hand auf. Ihre Finger krampften sich kurz um meine und fielen dann kraftlos auf das Laken. »Mutter …«, wisperte sie auf deutsch. Ich strich ihr die Haare aus dem Gesicht und wandte mich zum Gehen. »Seht zu, daß sie ordentlich Luft bekommt. Getrocknetes Obst in warmem Wein wird sie stärken. Und verbrennt Kampfer in der Stube, das reinigt die Luft!« befahl ich den Kammerfrauen, die nur verschüchtert nickten.
     
    An den folgenden Tagen schrie die junge Prinzessin vor Schmerzen, die ihr den Leib zerrissen. Die sechs Ärzte, die Peter eiligst an ihr Bett rufen ließ, konnten nur hilflos den Kopf schütteln. Bei seinem letzten Besuch in ihrem Gemach mußte sich Peter von zwei seiner Kammerjunker stützen lassen. Der Zar konnte vor Blähungen kaum laufen und schrie bei jedem Schritt wie ein Tier: Er hatte in den vergangenen Tagen und Stunden zuviel getrunken und gegessen, um die Geburt seines Enkelsohnes zu feiern. Ich selber entschied mich, Sophies Bettstatt fernzubleiben und bis zu der Minute meiner Niederkunft zu ruhen.
    Kein Fluch und kein böser Blick sollten über meiner eigenen schweren Stunde liegen: An meiner Stelle schickte ich Anna Kramer. Als sie nach vielen Stunden wiederkam, waren ihre Augen rotgeweint und ihr Gesicht verstört.
    Ich hieß meine Vorleserin innezuhalten und fragte Anna leise: »Nun?«
    Anna Kramer wankte etwas, und ich sagte rasch: »Setz’ dich zu mir, Kind! Nimm von dem heißen Wein und dann sprich!« Anna schluckte gehorsam das dunkle, süße Getränk, das meine Kammerfrau ihr anbot. Sie schloß kurz die Augen und sah mich dann an. »Die Prinzessin weiß, daß das Ende nahe ist, Herrin. Sie hat einen Priester gerufen, um in ihrer Beichte Alexej von jeder Schuld reinzuwaschen. Sie ist ein Engel …« Ihre Stimme verlor sich, und sie trank noch mehr Wein. Ich sah in die Flammen des Kamins. Unsere Welt war kein Ort für Engel. »Was hat sie genau gesagt?« fragte ich leise. Anna faßte sich und wiederholte mir die Worte von Alexejs Frau, die ohne Zweifel im Sterben lag.
    »Sie sagte, daß während ihres Lebens böse Gerüchte über sie und ihren Mann im Umlauf gewesen wären, die nicht der Wahrheit entsprechen. Daß es heißt, ihre Krankheit hinge mehr mit ihren Sorgen und ihrem Mann zusammen und nicht mit ihrer Schwangerschaft. Sie drückte ihre Dankbarkeit gegenüber ihrem Schicksal und der Zuneigung des Zaren aus …« Anna schluckte, als stieße es ihr sauer auf. Ich sah sie nicht an, sondern wartete auf ihre nächsten, zögerlichen Worte. »Zar Peter sei voll Güte zu ihr gewesen. Alexej ein liebevoller Ehemann, und …« Sie begann zu weinen und glitt auf die Knie. »Verzeiht, Zariza. Ich flehe Euch an, sendet mich nicht wieder in das Gemach der Prinzessin! Was ich dort sehe und höre ist einfach zu schrecklich!«
    Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte, daß ihr zarter Körper nur so zitterte. Ich legte ihr eine Hand auf den Kopf und strich ihr über die Haare. Das arme Kind. Sie lebte seit langer Zeit nur noch zum Schein. Unter der Berührung hob sie den Kopf und schluchzte noch einmal auf: »Die Zarewna küßte dem Zaren die Hände und nahm Abschied von unserer Welt. Alexej kam in den Raum und schien auf einmal vor Kummer außer sich zu sein! Er warf sich ihr zu ihren Füßen, küßte jeden einzelnen ihrer Finger und fiel dreimal in Ohnmacht, bis der Zar ihn mit den Füßen trat und hinausschleifen ließ …«
    In diesem Augenblick begann die Glocke der Sankt-Isaaks-Kirche eintönig und dumpf zu schlagen. Nach einem Moment des Schweigens nahmen die anderen Glocken der Stadt den traurigen Ruf auf und sollten die lange, dunkle Nacht hindurch schlagen. Anna und ich sahen uns an. Tränen rannen über ihr

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