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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Zariza! Bist doch sonst nicht so zimperlich!«
    »Du stinkst!« rief ich angewidert. »Du stinkst nach dem Blut, das du an deinen Händen hast! Rühr mich nicht an!« Ich würgte und wischte mir die Spuren seines Kusses vom Mund.
    Er musterte mich ausdruckslos. »So mutig wie eh und je, was, Katharina Alexejewna? Weißt du was? Ich brauche dich nicht mehr! Jede Hafenhure gibt mir mehr als du: Nämlich einen Sohn! Ich habe sie zu Hunderten, über das ganze Land verteilt! Ich kann dich tiefer erniedrigen, als ich dich je erhoben habe!«
    Mit diesen Worten drehte er sich um und schlug mir die Tür seines Studierzimmers vor der Nase zu.
     
    Dann die Erinnerung an den Abend nach Alexejs Tod.
    Peter feierte an jenem Abend unbekümmert und mit aller Pracht den Jahrestag seines Sieges bei Poltawa. Die üppigen Speisen wurden zu froher Musik aufgetragen, und der Mundschenk ließ Faß um Faß, Kiste um Kiste an Wein, Bier, Likören und Wodka in den Saal schleppen. Unser kleiner Sohn saß auf Peters Schoß: Der Zar fütterte ihn mit kleinen Stücken von gebratenem Wildschwein und Pilzpasteten. Der junge Zarewitsch schlenkerte mit den Beinen und klatschte bei jedem Kanonendonner, der die Luft vor dem Palast durchschnitt, in die Hände. Peter ließ ihn nicht zu mir kommen, sondern rief nur stolz: »Seht ihr das? Ein echter kleiner Soldat! Nächsten Sommer bekommt er sein erstes Segelboot!« Elisabeth und Anna wagten es dagegen nicht, von ihren Tellern hochzusehen, und mir fiel auf, wie blaß meine beiden Töchter waren. Elisabeths Augen schimmerten, als hätte sie Fieber. Anna zuckte unruhig mit dem Kopf, der auf ihrem zu dünnen Hals saß. Ich selber trank ein Glas süßen Krimwein nach dem anderen: Doch auch das wollte das Eis in meinen Adern nicht auftauen. Der Wein klebte in meiner Kehle, ganz wie Blut. Ich wollte würgen, doch ich beherrschte mich. Peter hatte mir befohlen, den Schmuck einer Zariza anzulegen. Ich hatte meine blasse Haut mit kalkweißer Schminkpaste zugedeckt, und karmesinroter Puder leuchtete in grellen Flecken auf meinen Wangen. Am Abend nach der Feier entdeckte ich trotz des milden Kerzenlichts in meinen Gemächern die ersten grauen Strähnen in meinem Haar.
    Die Blicke der ausländischen Würdenträger brannten auf meiner Haut. Vor Neugierde vergaßen sie sogar, sich alle Augenblicke mit der Schöpfkelle aus den Kübeln mit Wodka zu bedienen, wie es eigentlich Pflicht war. Ich sah Campredon in sein kleines Tagebuch, das er stets an der Brust trug, schreiben. In den Briefen, die Peters Geheimdienst abfing, hieß es, ich hätte in jener Nacht gedankenverloren gewirkt.
    Woran hatte ich an jenem Abend gedacht? Vielleicht an die vielen Götter, an die ich glauben gelernt hatte, in all den Jahren, in denen sie mich so barmherzig von der Vaïna an die Newa geführt hatten. Was hatten wir denn nur falsch gemacht, um hier so zu enden? Hatte ich selber denn genug getan? Genug, um meinen Stiefsohn zu retten? Als ich ihn das erste Mal sah, war er doch noch ein Kind gewesen.
     
     
     
     
     
     
     
    Die letzten Scheite knackten im Kamin, und ich zuckte zusammen. Ihr Geprassel riß mich aus meinen Gedanken. Menschikow lächelte mich milde an und wiederholte: »Nein, sei froh, daß der verdorbene Weichling nicht mehr lebt.«
    »Weshalb nennst du ihn verdorben, Alexander Danilowitsch? Von Toten soll man nicht schlecht sprechen. Und lag es nicht in deiner Hand, ihn zu einem Zaren zu formen?«
    Er grunzte nur und trat gegen die verkohlten Scheite, die glühend zu Asche zerfielen. Ob des Geräuschs rührte sich Elisabeth und drehte sich schlafend auf die andere Seite. Während sie es sich in ihrem Sessel neu einrichtete, schmatzte sie leise mit den Lippen. Menschikow sah sie kurz an.
    »Alexej war ein Dummkopf, ein Feigling und ein Säufer«, sagte er dann entschieden. »Weißt du noch, als er das erste Mal aus Deutschland wiederkam und Peter sehen wollte, wie gut er Landkarten zeichnen konnte?« fragte er dann.
    Ich nickte nur, und Menschikow lachte höhnisch auf: »Nun, er hatte solche Angst, zu versagen, daß er sich in seinem Zimmer selber in die Hand geschossen hat! Kannst du dir das vorstellen? Wir hörten nur den Knall aus seinem Raum, und dann kam er heraus, blutend und das Gesicht von Tränen überströmt wie ein Weib! Ein Feigling, ein Säufer und ein Dummkopf«, sagte er noch einmal.
    »Vielleicht hat er nur zu vielen Menschen zu sehr vertraut?« wunderte ich mich laut. Menschikow zuckte nur die

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