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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Leben. Seine schiere Kraft schluckte mich. Die Frau in meinem Inneren erhob sich leichtfüßig aus dem kühlen Grund meiner Seele, in dem sie so lange Schutz gesucht hatte. Ehe ich es verhindern konnte, trat sie an das Tageslicht meiner Augen und erwiderte seinen Blick mit ihrem Herzen. Mehr geschah nicht, doch mehr mußte auch nicht geschehen. Ich drehte mich nicht nach ihm um, damals noch nicht, doch mein Herz blieb für immer bei ihm, was soll ich es verleugnen? Ich war machtlos.
     
    Am selben Abend noch erreichte mich der erste Bote aus Sankt Petersburg.
    Peter in seiner Ungeduld schrieb mir Briefe wie schon seit Jahren nicht mehr. »Mein altes Mädchen, wo bist Du nur? Der Palast ist so leer ohne Dich, niemand bringt mich mehr zum Lachen. Ich spiele jeden Tag mit unserem großen Mädchen Natalja, denn von all unseren Töchtern ist sie diejenige, in der ich Dein Wesen und Deine Schönheit wiederfinde. Welcher Prinz wird eines Tages gut genug für sie sein? Ansonsten gehe ich von Raum zu Raum und finde Dich doch nirgends. Aber erhole Dich, Du hast die Ruhe wohl verdient. Es ist so schön, mit einem geliebten Menschen alt zu werden …«
    Ich hob die Hand, um den Kurier im Vorlesen zu unterbrechen. »Genug, guter Mann. Du hast einen langen Ritt hinter dir. Geh’ in die Küche, ich glaube, der Wildhüter hat Auerhähne gebracht, die nun gebraten werden. Laß’ dir eine ordentlichen Teller voll geben. Den Brief laß mir da«, sagte ich.
    Er reichte mir den zerknitterten Bogen und verbeugte sich. »Noch keine Antwort an seine Majestät?« fragte er, ehe er sich verneigte. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Morgen vielleicht. Jetzt geh und iß«, befahl ich.
    Ich wartete, bis sein Schritt in dem langen Gang vor meiner Bibliothek verhallte, ehe ich vor dem Kamin in die Knie ging. Das Feuer wärmte mein Gesicht und warf goldene Lichter auf die hellgelbe Seide meines Kleides. Ohne zu zögern hielt ich Peters Brief an die Flammen. Sie leckten hungrig über das trockene Papier, und die ersten Worte, die ihre Zungen verschlangen, waren die von Peters letztem Satz: »… alt zu werden.«
    Seine schwarze Schrift krümmte sich unter der Hitze des Feuers. Ich ließ mich auf mein Hinterteil fallen und sah gelassen zu, wie das Papier zu Asche zerfiel. Mit einem Mal mußte ich lachen: Ich lachte und lachte, daß es einem gesunden Menschen Angst einjagen konnte. Katharina Alexejewna war nicht alt, Peter. Sie war jung! Sie lebte, und wie! Denn sie liebte! Wer liebt, der lebt, mein Gatte! Mein Lachen wurde zu Weinen, und ich weinte hemmungslos, bis ich mich in den weichen Teppich einrollte. Dort vor dem Kamin schlief ich tief und traumlos bis zum Morgengrauen.
    Als ich erwachte, fröstelte mich. Ein Sturm hatte über Nacht die Fenster aufgerissen, und auf dem Parkett hatten sich Pfützen aus Regenwasser gebildet. Kalte, salzige Luft füllte den Raum. Auch mein Teppich war durchweicht, und die helle Seide meines Kleides klebte feucht an meinem Leib. Ich versuchte, mich an dem schweren Sessel vor dem Kamin auf meine Beine zu ziehen. Dabei muß ich ihn ungeschickt zu fassen bekommen haben, denn er fiel mit Gepolter um. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und der Mensch, den ich am meisten zu sehen hoffte und am meisten zu sehen fürchtete, steckte seinen Kopf zur Tür hinein.
    »Meine Kaiserin …«, sagte Wilhelm Mons. »Ich habe ein Geräusch gehört. Habt Ihr Euch weh getan, meine Herrin?«
    Er mußte vor der Tür Wache gestanden haben. Wie sonst konnte er so schnell hier bei mir sein? Wilhelm Mons war in ein, zwei Schritten bei mir und beugte sich zu mir nieder. Ich saß noch immer auf dem Boden: Mein Haar fiel lose und lockig auf meine nackten Schultern, denn mein Kleid war vom unruhigen Schlaf verrutscht. Ehe er wußte, was er da tat, strichen seine Finger über meine Wangen, hin zu meinem Mund. Ich schloß gierig meine Lippen um seine Fingerkuppen und schmeckte das Salz des Meeres, das Salz meiner Tränen daran. Er küßte die Feuchtigkeit von meinen Wangen und murmelte: »Die Farbe von Schnee, der Geschmack von Tränen, die Weite der Ozeane.«
    Ich ertrug seinen Blick nicht mehr und schloß die Augen. Sein Seufzen war leise, als er mich endlich, endlich … Wie viele Jahre schon sehnte ich mich danach? Wie lange wollte ich dies so sehr? Seitdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte? … in seine Arme schloß. Die gelbe Seide meines Kleides riß wie dünnes Papier, und seine Hände waren groß genug, um meine schweren

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