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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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schloß sie ruhig die Schatulle auf Wassilis Schreibtisch auf.
    »Woher weißt du …?« fragte ich erstaunt.
    »Ich weiß alles, was in diesem Haus vorgeht, Martha.« Sie griff eine Handvoll Münzen und zählte sie ab. »Hast du ein anderes Kleid als den Lumpen, den du zur Arbeit trägst?« fragte sie mich dann.
    »Nein – oder doch! Wassili hat es mir geschenkt – es ist aber nach deutscher Art!«
    »Das macht doch nichts – im Gegenteil, um so besser! Jetzt hör’ mir gut zu …«
    Sie nahm meine Hand und drückte die Münzen hinein. »Du wirst jetzt dein Bündel mit deinen Habseligkeiten packen. Es soll keine Spur von dir zurückbleiben! Keiner wird sich an eine Magd mehr oder weniger in Walk erinnern! Bei Morgengrauen fahren vor dem Stadttor die Fuhrwerke Richtung Marienburg ab. Ich will, daß du dann auf einem von ihnen sitzt, hast du mich verstanden? Marienburg, und nirgendwo anders hin! Das ist weit genug weg und auch groß genug, um dort zu verschwinden! Erst dann werde ich Alarm schlagen. Du hast Geld für die Reise und auch zum Überleben in den nächsten Wochen. Dann mußt du selbst sehen, wie du zurechtkommst. Aber, Martha: Ich will dich hier nie mehr sehen. Ist das klar? Verstehst du mich?« versicherte sie sich.
    »Marienburg?« wiederholte ich nur wie betäubt. Mein Mut sank. Die große Stadt war doch viele Werst und ganze Welten entfernt.
    »Dort wird dich niemand vermuten«, wiederholte sie bestimmt.
    »Und du? Was geschieht mit dir?« wagte ich zu fragen. Die Münzen lagen kühl in meiner Hand. Es war ohne Zweifel mehr Geld, als ich je gesehen hatte. Sofia lächelte dünn. Meine Überraschung mußte mir deutlich anzusehen sein! Das schwache Kerzenlicht flackerte im Zugwind der offenen Tür und warf dunkle Schatten über ihr rundes Gesicht. Sie war nun eine Fremde für mich, in jenem Augenblick, in dem sie mir das Leben rettete.
    »Es ist genug für mich da – wenn alles vorbei ist, werde ich mir ein kleines Haus auf dem Lande kaufen, mit einem Feld und einem Garten – neben dem meiner Schwester. Ich werde geehrt und geliebt sterben. Etwas anderes will ich nicht mehr«, erklärte sie.
    Ich verstand: Ihr Wunsch, mich aus dem Haus zu haben, war nicht ganz uneigennützig. Nun, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. So nickte ich nur. Es gab nichts mehr zu sagen. Unsere Wege trennten sich. Ich lebte noch, und das war doch letztendlich alles, was zählte. Nicht für mich die Spin nereien, nicht für mich das Rad, nicht für mich die qualvolle Strafe für Frauen, die Männer getötet hatten. Sondern das Leben und eine ungewisse Freiheit!
    Sofia nahm mich am Ellenbogen und führte mich die Treppen hinunter in meine Kammer neben der Küche. In ihrer Hand flackerte ihre Nachtkerze. Das weiche Licht der Flamme warf die unheimlich langen Schatten unserer Körper an die Wand. Einige Bohlen knarrten unter unseren Schritten, aber das Haus blieb still.
    Sie sah mir zu, als ich packte. Viel war es nicht – gerade mein Arbeitsgewand, ein guter Sarafan , meine Wolltunika, das warme Hemd, das ich am Leibe trug, und ein Beutel klebriger Süßigkeiten, den Wassili mir vor zwei Tagen erst geschenkt hatte. Dazu steckte ich noch den breitzinkigen Kamm ein, der Olga gehört hatte. Es war schwieriger, als ich angenommen hätte, das deutsche Kleid anzuziehen. Sofia preßte mein Fleisch in das Oberteil und schnürte es zu. Die Stäbe in den Seitennähten kniffen in meine Leibesmitte. Ich bekam kaum Luft. Unter dem Kleid schlüpfte ich in ein Paar warme Hosen, die Grigori gehört hatten. Darüber zog ich wieder mein warmes Hemd und meinen dicken Mantel aus Schaffell, den tulup , der ebenfalls ein Geschenk von Wassili gewesen war. Über meine Füße streifte ich zwei Paar feste, wollene Socken. So würden mir auch die Stiefel passen, die für die Bediensteten neben der Haustür standen. Mein Haar schlang ich in einen Knoten und band das Kopftuch fest um mein Kinn und meine Ohren. Sofia musterte mich zufrieden.
    »Wie fabelhaft unansehnlich du jetzt bist! Niemand wird dich bemerken in der Ausstattung – und das ist auch gut so! Halt’ mir bloß den Blick gesenkt, Mädchen – Augen wie deine gibt es in Walk nicht zweimal«, ermahnte sie mich dann.
    Ich nickte stumm und vergaß, meinen Blick zu senken. Sofia schüttelte unwillig den Kopf. Wir gingen schweigend zur Haustür. Dort gab sie mir das Paar Stiefel aus derbem Leder, das etwas zu groß war, und noch eine zweite Decke aus fester Wolle.
    »Es wird kalt

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