Die Zarin (German Edition)
lachte er häßlich, als er die Angst in meinen Augen sah. »Danach wird dich keiner mehr wollen! Weißt du, was die Regentin Sophia mit ihren ungehorsamen Bediensteten machte? Sie peitschte sie aus, rieb sie mit Wodka ein und zündete sie an. Ich spucke auf den Zaren Peter und bin ihr noch immer ein gehorsamer Untertan – und du wirst mir eine schöne Fackel sein, Martha! Aber zuerst werde ich noch einmal so richtig Spaß haben mit dir, dann kannst du lichterloh brennen!«
Er zwang mich zu dem großen Küchentisch. Dort bog er mich grob über die schwere Holzplatte und preßte sich auf mich. Sein Mund zuckte vor Lachen auf dem meinen, als ich verzweifelt anfing, mich zu wehren.
Dann riß er meinen Kopf an den Haaren hoch und zischte böse: »Na – wie ist das, wenn der Tod dich besteigt? Ich bin deine letzte Erinnerung! Nach mir wird dich keiner mehr haben!«
Was dann geschah, kann ich nicht genau erklären: Aber seine Worte riefen eine Kraft und einen Willen wach, die ich in mir nicht vermutet hätte. Wassili hielt meine Hände nicht fest, da er eine Hand zwischen meinen Beinen hatte und gleichzeitig versuchte, sein Nachtgewand nach oben zu schieben. Er rechnete nicht mit meiner Gegenwehr. Meine Arme streckten sich nach hinten, und meine Hände tasteten in der Dunkelheit. Ich kannte diesen Tisch – genau dort, wo ich jetzt lag, hatte Sofia am Nachmittag noch auf der Platte Gewürze gestoßen. Sie hatte dazu den schwersten Mörser aus Messing gewählt, denn die Kräuter waren zu dieser Jahreszeit unter der schweren Schneedecke steifgefroren und wollten ihren Geschmack nicht so einfach freigeben. Meine Finger streckten sich so weit es ging nach hinten, während Wassili meine Hüften nach oben riß. Dann warf er sich mit seinem gesamten Gewicht auf mich und zwang mit seinen Zähnen meinen Mund auf. In diesem Augenblick spürte ich das kühle Metall des Mörsers an meinen Händen. Ich wußte, wie schwer er war, und zog ihn mit einem Ruck heran. Ich merkte zu meinem Entsetzen, daß Wassili mich umdrehen wollte. Ich mußte schnell handeln – dies mochte meine einzige Gelegenheit sein! So hob ich den Mörser mit einem einzigen Ruck und ließ ihn mit aller Kraft auf seinen Schädel niederfahren.
Der Ausdruck in seinem Gesicht über mir wurde leer. Blut trat aus seinem Mund und seinen Ohren, sein Schädel spaltete sich vor meinen Augen entzwei. Doch das war mir nicht genug – ich mußte sicher sein! So schlug ich noch einmal und noch ein drittes Mal zu. Die endlosen Demütigungen, die ich erlitten hatte, trieben mich zu sinnloser Gewalt seinem Körper gegenüber. Er war ein Ungeheuer, und er sollte nicht mit menschlichem Antlitz ins Jenseits gehen.
Er sackte zusammen und fiel nach hinten. Dort lag er still. Ich kniete neben ihm und schlug mit aller Kraft ein letztes Mal zu. Der Mörser rollte mir aus der Hand. Meine Kraft verließ mich, und ich fiel besinnungslos neben ihm zu Boden.
2. Kapitel
Ich erwachte, weil mir jemand mit einem feuchten Tuch über mein Gesicht fuhr. Als ich die Augen öffnete, sah ich Sofia über mir. Sie musterte mich mit besorgter Miene. Zum Schutz gegen die Kälte hatte sie sich eine Decke über ihr langes, weißes Nachtgewand geworfen. Ihr Haar war in mehrere feste Zöpfe geflochten. Auf dem Tisch neben ihr stand ein Nachtlicht: ein fest gedrehter Strang aus Flachs, der in altes Schweinefett getaucht worden war. Diese einfache Kerze steckte in einem hölzernen Halter, den sie aus ihrer Kammer gebracht haben mußte, und sandte nur ein dunkles, stinkendes Licht aus. Dennoch stieg mir ein anderer widerlich süßer Geruch in die Nase: nämlich der von Blut und Tod. Ganz so wie nach einem Schlachttag.
Sofia schüttelte mich: »Kind – Martha – wach doch auf! Was ist denn geschehen? Mein Gott, was ist denn passiert? Hast du das getan?«
Ich setzte mich auf. Mein Kopf schmerzte furchtbar. Dann sah ich Wassilis Leiche. Sein Gesicht war nur noch eine blutige Masse. War das mein Werk? Ich rieb mir die Stirn und seufzte. Sofia schüttelte mich noch einmal und wiederholte ihre Frage: »Martha – was ist geschehen?«
»Er wollte mich töten, Sofia. Er wollte mich halb zu Tode peitschen, mit Alkohol einreiben und dann anzünden«, sagte ich wie zu meiner Entschuldigung. Ich sah sie hilflos an und begann zu schluchzen und zu zittern – erst jetzt begriff ich wohl, was wirklich geschehen war. Sofia kniff die Lippen zusammen und musterte Wassilis Leiche. Dann erhob sie sich und gab
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