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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Karoline mich eines Tages zu sich in die Stube rief. Ich war nun wieder ganz gesund. Wollte sie mich meiner Wege schicken? Ich spürte die alte Angst in mir. Wohin sollte ich mich denn wenden? Vielleicht konnte ich sie wenigstens um eine Empfehlung bitten, oder sie kannte ein Haus, das eine Magd einstellen wollte.
    Ich öffnete die niedrige, graublau gestrichenen Tür, die in ihre Stube führte, und knickste.
    Ich trug eines ihrer abgelegten Kleider, das sie mir geschenkt hatte – es war blau und grau gestreift und am Hals hochgeschlossen. Mittlerweile gefiel mir diese Art, mich zu kleiden, und ich konnte meinem Sarafan, der Tunika und dem Kopftuch nicht mehr viel abgewinnen. Aber die Kälte und auch meine Armut ließen mir oft keine Wahl. Mein Haar trug ich in einem sauberen Zopf nach hinten gebunden, und ich wischte meine Hände schnell an der Schürze ab, die ich um den Leib gebunden trug.
    Karoline sah von ihrer Arbeit auf, als ich hereinkam.
    »Martha! Komm, setz dich!« Sie lächelte mir freundlich zu und klopfte neben sich auf den Sitz des Sofas. Es war ein wuchtiges Möbel, und sie saß oft darauf, um ihren Haushalt zu überprüfen. Ich setzte mich scheu neben sie auf die Kante und hielt den Blick gesenkt.
    Im Kamin neben mir brannte warm ein Feuer, und Funken stoben dann und wann gegen den gußeisernen Ofenschirm. Es war zwar schon April, aber in diesem Jahr wollte der Winter nicht weichen, und der Korb neben dem Kamin war voller Scheite.
    Karoline klappte entschieden das Haushaltsbuch in ihren Händen zu. Auf dem weißen Papier reihte sie dort Zahlen um Zahlen aneinander, schrieb kleine Bemerkungen an den Rand, strich Posten aus und fügte andere hinzu. Auf diese Weise verzweifelte sie immer wieder über die Großzügigkeit ihres Mannes oder kam einer diebischen Köchin auf die Schliche. Ich hatte sie schon oft dabei beobachtet – aber natürlich konnte ich nicht lesen, was sie da schrieb. Für mich sahen die schwarzen Buchstaben auf dem Papier aus wie Rattendreck, nicht mehr.
    Sie legte ihre angespitzte Feder in einem Halter aus Leder und Metall vorsichtig neben das kleine Faß Tinte, das auf dem Tisch neben ihr stand.
    »Ich habe gerade meine Ausgaben für den letzten Monat überschlagen! Das ist immer eine Arbeit – Ernst in seiner Gutmütigkeit den Armen und Bedürftigen gegenüber gibt schneller, als ich es einsparen kann! Gott sei Dank bekommen wir soviel geschenkt, sonst müßte ich noch das Pfarrhaus verpfänden!« Sie lachte und entblößte dabei ihre großen, gesunden Zähne. Sie wandte sich mir zu, nahm meine Hand in die ihren und sah mich aufmerksam an. Ihre Haut war warm und angenehm.
    »Wie geht es dir jetzt, Martha? Bist du wieder ganz gesund?« fragte sie mich und musterte mich freundlich. Ich nickte, hielt aber die Augen weiter gesenkt. Sie seufzte leise und stand auf. Mit zwei Schritten war sie am Kamin, schob den Ofenschirm beiseite und stocherte mit der Feuerstange zwischen den Scheiten. Sie schien zu überlegen, wie sie weitersprechen sollte. Sicher konnte es nicht leicht sein, mich meiner Wege zu schicken, auch wenn ich wieder ganz gesund war.
    »Wie lange bist du jetzt bei uns?« fragte sie dann.
    »Mehr als acht Wochen«, sagte ich vorsichtig.
    »So lange schon!« Sie schien überrascht zu sein. »Und was hast du jetzt vor?« fragte sie und ließ sich auf dem kleinen Sessel mir gegenüber nieder. So konnte sie mich direkt ansehen.
    »Ich weiß es nicht. Ich muß mir Arbeit suchen, um zu überleben. Aber ich bin fleißig und arbeite hart …«
    Sie winkte ab. »Ich weiß Martha. Du kennst niemanden hier, nicht wahr? Hast du keine Verwandten, die in der Stadt leben?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie schien zu überlegen. »Dies sind keine Zeiten, in denen ein junges Mädchen auf sich alleine gestellt sein sollte. Du bist ein gutes Hausmädchen. Möchtest du bei uns bleiben?«
    Die Frage kam so unvermittelt, daß ich mich vor Überraschung gerade aufsetzte und die Augen aufriß. Karoline lachte: »Du solltest dich immer so gerade halten, Martha. Es gibt keinen Grund, mit gesenktem Kopf durch die Welt zu schleichen. Es gibt nichts Anmutigeres als ein Mädchen mit guter Haltung.«
    Ich mußte nun auch lachen, und Karoline wiederholte ihre Frage freundlicher und weniger plötzlich: »Also, möchtest du dich bei uns als Hausmädchen verdingen? Du mußt dich um Ulrike kümmern und darauf sehen, daß alles im Haus und in der Kirche sauber ist. In der Küche mußt du nicht arbeiten, dafür

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