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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Dreifaltigkeit in die Hände kam, ergriff er die Gelegenheit, ihn vor ein päpstliches Konzil in Soissons zu laden, wo er 1121 Rede und Antwort stehen musste.
    Hatte Abélard nicht eine tritheistische Auffassung verkündet, nach der Vater, Sohn und Heiliger Geist trennbar waren und jeder seine eigenständige Existenz hatte? War der eine Gott für ihn nichts weiter als eine Abstraktion? Hatte ihm das Teufelsgebräu schon so den Kopf verwirrt?
    Es war für Bernhard eine große Freude, dass Abélard vom Papst gezwungen wurde, sein eigenes Buch zu verbrennen, und dass er dann zur Strafe nach St. Denis verbannt wurde. Aber die bittere Saat war gesät, und die Mönche der Abtei wollten mit Abélard und seiner Ketzerei nichts zu tun haben. Deshalb musste er sich in eine Einsiedelei in der Gegend von Troyes zurückziehen, einen Weiler mit Namen Ferreux-Quincey. Dort errichteten er und einige Anhänger ein neues Kloster, das sie das Oratorium von Paraclete nannten. Paraclete – der Heilige Geist. Natürlich war das Abélards Gegnern ein Dorn im Auge.
    Abélard war gern in seinem neuen Kloster. Es lag weitab von allem, besaß eine reine Quelle, fruchtbaren Boden und genügend Wälder, um Holz für den Bau einer Kirche zu schlagen. Besonders gefiel ihm, dass in der unmittelbaren Umgebung Wicken, Wildgerste und rote Johannisbeeren wuchsen.
    Als das Oratorium mitsamt Kapelle und Unterkünften erbaut war, tat Abélard etwas, das er nur tun konnte, weil er der Abt dieses neuen Klosters war: Er ließ Héloïse zu sich kommen.
    Sie reiste mit einem kleinen Gefolge von Nonnen aus Argenteuil in einem Pferdewagen an.
    Obwohl sie nur das einfache Gewand einer Ordensschwester trug, war sie für Abélard genauso bezaubernd, wie er sie in Erinnerung hatte.
    Bei ihrer Ankunft, inmitten ihres Gefolges und seiner Mönche, konnten sie sich nicht in die Arme schließen, alles, was ihnen blieb, war ein Händedruck. Aber auch der war genug.
    Abélard bemerkte, dass ihr Kruzifix größer war als das ihrer Gefährtinnen. »Du bist nun Priorin«, bemerkte er.
    »Und du Abt«, erwiderte sie.
    »Wir sind eben beide aufgestiegen«, scherzte er.
    »Um Christus besser dienen zu können«, sagte sie und senkte den Blick.
     
    In der Nacht kam Abélard zu ihr in das kleine Haus, das er für sie gebaut hatte. Sie protestierte. Sie stritten. Er hatte einen wilden Blick und redete viel zu rasch in einer seltsam träumerischen Art. Vor seinem Besuch hatte er etwas von seinem Trank eingenommen, aber davon erzählte er ihr nichts. Die Zeit drängte, bald würde die Wut folgen, und das sollte Héloïse nicht mitbekommen.
    Ihr Geist und ihre Zunge waren so rasiermesserscharf wie früher, und ihre Haut war weiß wie der feinste Marmor im Salon ihres Onkels Fulbert, auch wenn sie in ihrem züchtigen Nonnenhabit viel zu wenig davon zeigte. Abélard drückte sie auf ihr Bett und fiel über sie her. Er küsste sie auf Hals und Wangen. Sie schubste ihn weg und tadelte ihn, aber dann gab sie schließlich nach und erwiderte seine Küsse. Er schob ihr grobgewebtes, knöchellanges Kleid nach oben und entblößte das helle Fleisch ihrer Schenkel.
    »Wir dürfen das nicht«, stöhnte sie.
    »Warum nicht? Wir sind Mann und Frau«, keuchte er.
    »Nicht mehr.«
    »Doch.«
    »Aber du bist doch gar nicht mehr dazu fähig«, sagte sie, spürte dann jedoch an ihrem Oberschenkel, wie hart er war.
    »Wie kann das sein?«, fragte sie erstaunt. »Du hattest doch diesen … Unfall.«
    »Ich habe dir doch geschrieben, dass ich einen Weg gefunden habe, wie wir wieder Mann und Frau sein können«, sagte er und schob ihr Ordenskleid hoch bis über die Hüften.
     
    Heuchelei.
    Sie lastete schwer auf ihnen. Héloïse war mit Christus vermält, und Abélard hatte die Gelübde eines Mönches abgelegt, zu denen auch das der Keuschheit gehörte.
    Beide waren sie hochintelligent und sich der religiösen und moralischen Folgen ihrer Taten voll bewusst. Dennoch konnten sie nicht damit aufhören.
    Mehrmals wöchentlich zog sich Abélard nach der Abendmesse in sein einfaches Abtshaus zurück, nahm einen Schluck von dem Trank und kam mitten in der Nacht zu Héloïse auf Besuch. Manchmal sagte sie zuerst nein, manchmal sagte sie kein einziges Wort, aber jedes Mal willigte sie schließlich doch ein. Danach hinterließ er sie jedes Mal in einem Zustand tränenüberströmter Selbstzerfleischung, und auch er betete, wenn er wieder allein war, inbrünstig um die Vergebung seiner Sünden.
    Eigentlich hätte

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