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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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interessantes – und außergewöhnliches – Leben geführt. In seiner College-Zeit hatte er in Cambridge studiert und mit brillanten Leistungen aufgewartet; er hatte sogar ein Rhodes-Stipedium erhalten und in klassischen Sprachen promoviert: Hebräisch, Sanskrit, attisches Griechisch und Latein. Dann, mit zweiundzwanzig Jahren, hatte er abrupt seine akademische Laufbahn abgebrochen und sein Land verlassen ; er war in die Vereinigten Staaten ausgewandert, um bei dem damals berühmtesten Jazzmusiker, Herbie Mann, Jazz zu studieren. Nach kurzer Zeit hatte er seine eigene Jazz-Combo
    gegründet und darin Querflöte gespielt.
    Damit hatte er sich seinen Lebensunterhalt an der Westküste verdient, in San Francisco. Zu jener Zeit, Ende der sechziger Jahre, ließ der Episkopalische Bischof der Diözese Kalifornien, James Pike, Jazz-Messen in der Grace-Kathedrale aufführen, und eine der Gruppen, die er dazu eingeladen hatte, war Thomas Peaks Combo gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Peak als Komponist versucht, eine umfangreiche JazzMesse geschrieben und mit ihr Erfolg gehabt. 1968 hatte ihn Herb Caen, der Kolumnist der regionalen Tageszeitung, Pikes Posaune genannt. Auch Bischof Pike war eine interessante Persönlichkeit gewesen. Ein ehemaliger Rechtsanwalt, aktiv in der A.C.L.U., der kirchlichen Bürgerrechtsbewegung, einer der brillantesten und radikalsten Kleriker seiner Zeit, der auch bei den sogenannten »sozialen Aktionen« mitgemacht hatte, damals Thema des Tages, bei denen es vor allem um die Rechte der schwarzen Bevölkerung gegangen war. Zum Beispiel hatte er Dr. Martin Luther King nach Selma begleitet. Aus alldem hatte Thomas Peak gelernt. Auch er hatte sich für die Fragen der Zeit engagiert – natürlich in viel kleinerem Umfang als Bischof Pike. Auf Bischof Pikes Vorschlag war er ins Priesterseminar eingetreten und schließlich zum episkopalischen Priester geweiht worden – und wie James Pike, sein Bischof, war er für die damalige Zeit recht radikal gewesen, obwohl inzwischen die von ihm vertretenene Lehren im großen und ganzen akzeptiert wurden. Er war seiner Zeit nur ein wenig voraus gewesen.
    Damals jedoch hatte man ihn mit einem Häresieprozeß überzogen und aus der Episkopalischen Kirche ausgeschlossen; worauf er seine eigene Kirche gegründet hatte. Und als dann die Freie Negergemeinde entstanden war, hatte er sich dorthin gewandt; ihre Hauptstadt war zur Geburtsstätte seines Kultes geworden.
    Es bestand nicht viel Ähnlichkeit zwischen Peaks neuem Kult und der Episkopalischen Kirche, die er verlassen hatte. Das Udi-Erlebnis, der Gruppengeist, stellte das zentrale – wenn nicht das einzige – Sakrament dar, und nur zu diesem Zweck versammelte sich die Gemeinde. Ohne die dabei verwendete halluzinogene Droge, konnte das Sakrament nicht stattfinden; aus diesem Grund war Peaks Kirche – wie die Nordamerikanische Indianerkirche – von der Verfügbarkeit der Droge abhängig, ganz zu schweigen von ihrer Legalität. Demnach mußte der Kult über besondere Beziehungen zu verständnisvollen Behörden verfügen.
    Was das Udi-Erlebnis betraf, so lagen Berichte von eingeschleusten Agenten vor, die kategorisch erklärten, daß die Vereinigung zum Gruppengeist eine Tatsache war und nicht auf Einbildung beruhte.
    »Und darüber hinaus …« wollte Appleford hinzufügen, wurde aber an diesem Punkt unterbrochen. Stockend, aber entschlossen stellte Lotta eine Frage.
    »Glauben Sie, daß es für Ray Roberts von Vorteil wäre, wenn der Anarch wiedergeboren werden würde?«
    Appleford dachte eine Weile darüber nach; es war eine gute Frage, und sie zeigte ihm, daß Mrs. Hermes trotz ihrer Schüchternheit und Zurückhaltung den Kern des Problems erfaßt hatte.
    »Wegen der Hobart-Phase«, sagte er schließlich, »ist der Lauf der Geschichte für den Anarchen und gegen Ray Roberts. Der Anarch starb mit fünfzig Jahren; in diesem Alter wird er immer noch sein, wenn er wiedergeboren wird, und er wird stetig an Lebenskraft und schöpferischer Leistungsfähigkeit zunehmen – zumindest dreißig Jahre lang. Ray Roberts ist erst sechsundzwanzig. Die Hobart-Phase führt ihn zurück in seine Jugendzeit; wenn Peak auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft ist, wird Roberts ein Kind sein, das nach einem passenden Mutterschoß sucht. P eak braucht nur zu warten. Nein«, entschied er, »es wäre für Roberts nicht von Vorteil.« Und das, sagte er sich, hat Carl Gantrix eindringlich demonstriert … durch seinen Wunsch, zu

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