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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Sie sind im gleichen Alter wie ich; wir wären beide Kinder, und was dann?«
    »Nicht viel«, räumte er ein. »Aber hören Sie mich an. Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor. Ich gebe Ihnen die Informationen über Ray Roberts und erzähle Gore nichts davon, daß sich der Leichnam des Anarchen Peak im Besitz Ihres Vitariums befindet. Sebastian wird nicht erfahren, daß Sie es mir gesagt haben.«
    »Ihnen beiden«, fügte Lotta hinzu. »Diesem Bibliothekar auch.«
    »Mein Vorschlag«, fuhr er fort. »Wollen Sie ihn hören?«
    »Ja.« Sie lauschte gehorsam.
    Er wagte den Sprung ins kalte Wasser und fragte heiser: »Könnten Sie ein bißchen von Ihrer Liebe auf mich
    übertragen?«
    Sie lachte. Ohne jede Bösartigkeit, ganz heiter. Und das gab ihm wirklich Rätsel auf; jetzt wußte er wirklich nicht mehr, wo er stand oder was er – wenn überhaupt – erreicht hatte. Er fühlte sich deprimiert; trotz ihrer mädchenhaften Unreife, ihrer Unerfahrenheit, war sie es, die das Gespräch bestimmte.
    »Was bedeutet das?« fragte sie.
    Es bedeutet, dachte er, daß ich mit dir ins Bett gehen will. Aber er sagte: »Wir könnten uns von Zeit zu Zeit treffen. Uns sehen, Sie wissen schon. Ausgehen, vielleicht tagsüber. Ich kann mir eine andere Dienstzeit geben lassen.«
    »Sie meinen, während Sebastian im Büro ist.«
    »Ja.« Er nickte.
    Zu seiner ungläubigen Überraschung fing sie an zu weinen; Tränen rannen über ihre Wangen, und sie machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten ; sie weinte wie ein Kind.
    »Was ist los?« fragte er, zog automatisch sein Taschentuch heraus und tupfte ihre Tränen ab.
    »Ich wußte es«, schluchzte Lotta. »Ich muß doch zurück in die Bibliothek!« Sie stand auf, nahm Handtasche, Papier und Bleistift an sich und entfernte sich vom Tisch. »Sie wissen gar nicht, was Sie mir angetan haben«, sagte sie ein weniger ruhiger. »Sie und Seb; gemeinsam. Daß ihr mich zwingt, heute zum zweiten Mal dorthin zu gehen. Ich weiß, was passieren wird; ich weiß, daß ich diesmal Mrs. McGuire begegnen werde; es wäre erst schon passiert, wenn Sie mir nicht geholfen hätten, Mr. Appleford zu finden und …«
    »Sie können sich wieder an ihn wenden. Sie wissen, wo sein Büro ist; gehen Sie dahin, wo wir gewesen sind, wohin ich Sie geführt habe.«
    »Nein.« Sie schüttelte bedrückt den Kopf. »Es wird nicht funktionieren ; er wird irgendwo Sogum nehmen oder schon Feierabend haben.«
    Er sah ihr nach, als sie ging, unfähig, irgend etwas zu sagen, von einem Gefühl völliger Nutzlosigkeit erfüllt. Sie hat recht, dachte er; ich schicke sie einfach fort, bringe sie in eine ausweglose Lage. In eine Lage, mit der sie nicht fertigwerden kann. Wir beide, Sebastian und ich, sind dafür verantwortlich; er hätte gehen können; ich hätte ihr die Informationen geben können. Aber er ist nicht gegangen und ich wollte ihr ohne Gegenleistung nichts sagen. Gott, dachte er; und er haßte sich. Was habe ich getan?
    Und ich behaupte, daß ich sie liebe, dachte er. Genau wie Sebastian; er »liebt« sie ebenfalls.
    Er stand da und blickte ihr nach, bis sie außer Sichtweite war, und dann hastete er zum Münzfernsprecher auf der anderen Seite des Sogum-Palastes; er suchte die Nummer der Bibliothek heraus und wählte.
    »Stadtbibliothek.«
    »Ich möchte mit Doug Appleford sprechen.«
    »Es tut mir leid«, sagte die Telefonistin. »Mr. Appleford ist schon gegangen. Soll ich Sie mit Mrs. McGuire verbinden?«
    Er legte auf.

    Mrs. Mavis McGuire sah von dem Manuskript auf, in dem sie gelesen hatte, und erblickte eine ängstlich dreinschauende junge Frau mit langen dunklen Haaren, die vor ihrem Schreibtisch stand. Verärgert durch die Störung sagte sie: »Ja? Was wollen Sie?«
    »Ich hätte gerne die Informationen, die Sie über Mr. Ray Roberts haben.« Das Gesicht des Mädchens war wächsern, ohne Farbe, und es sprach mechanisch.
    »Die Informationen, die wir über Mr. Ray Roberts haben«, äffte Mrs. McGuire nach. »Ich verstehe. Und jetzt ist es …« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Halb sechs. In einer halben Stunde schließen wir. Und Sie möchten, daß ich für Sie das ganze Material zusammentrage. Daß ich alles heraussuche und Ihnen hübsch geordnet vorlege. So daß Sie sich nur noch hinsetzen und es zu lesen brauchen.«
    »Ja«, sagte das Mädchen leise, fast ohne die Lippen zu bewegen.
    »Miss«, brauste Mrs. McGuire auf, »wissen Sie eigentlich, wer ich bin und was meine Aufgabe ist? Ich bin die

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