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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zu Kreuze, was?« knurrte Lindy.
    »Er kann helfen, wenn man sich selbst ins Gesicht sieht. Es ist nur verdammt schwer. Denn wenn man es tut, dann – hört man auf, zu existieren. Man schrumpft fast zu einem Nichts zusammen.« Aber nur fast; etwas Wirkliches blieb.
    »Gott zürnt jeden Tag den Bösen«, zitierte Pater Faine.
    »Ich war nicht böse«, widersprach Sebastian. »Nur unwissend. Es war notwendig für mich, daß mir endlich die Wahrheit vor Augen geführt wurde. Auf diese Weise …« Er zögerte. »Ich konnte zu ihm zurückkehren«, sagte er schließlich. »Wohin ich gehörte. Und erkennen, daß neun Zehntel von allem, was ich in meinem Leben getan hatte, in Wirklichkeit von Ihm getan worden war; ich war ein Zuschauer, während Er durch mich handelte.«
    »Soviel Gutes haben Sie getan?« fragte Lindy.
    »Alles. Gutes und Böses.«
    »Ketzerei«, sagte Pater Faine.
    »So?« entgegnete Sebastian. »Es ist die Wahrheit. Vergessen Sie nicht, Pater; ich war dort. Ich spreche nicht von meinen Ansichten, meinem Glauben; ich spreche von Tatsachen.«
    Dr. Sign meldete sich. »Ich habe hier ein Herzflimmern. Eine Arrhythmie. Herzkammerflimmern; wahrscheinlich ist er daran gestorben. Er ist erfolgreich in dieses Stadium zurückgekehrt. Wenn wir Glück haben, wird sich der normale Herzrhythmus schließlich durchsetzen; vorausgesetzt, alles verläuft normal.«
    Cheryl Vale nahm die theologische Diskussion wieder auf. »Ich verstehe immer noch nicht, warum Gott will, daß wir uns bedeutungslos vorkommen. Mag Er uns denn nicht?«
    »Ruhe«, befahl Dr. Sign scharf.
    »Wir müssen klein sein«, erklärte Sebastian, »damit es so viele von uns geben kann. Damit Milliarden und Abermilliarden verschiedene Geschöpfe leben können; wenn einer von uns so groß wäre, so groß wie Gott, wie viele gäbe es dann? Nach meiner Meinung ist das die einzige Möglichkeit, durch die jede potentielle Seele …«
    »Er lebt«, sagte Dr. Sign. Und entspannte sich merklich. »Es hat funktioniert; es hat ihn nicht umgebracht.« Er sah Sebastian an und lächelte schwach. »Ihr Spiel hat sich gelohnt; wir haben einen Auferstandenen, und der Auferstandene ist der Anarch Thomas Peak.«

    »Und was jetzt?« fragte Lindy.
    »Jetzt«, rief R. C. Buckley triumphierend, »sind wir reich. Wir haben einen Artikel in unserem Katalog, der uns einen Preis bringen wird, von dem wir nie zu träumen gewagt haben.« Er lächelte aufgeregt, mit funkelnden, betriebsamen Verkäuferaugen. »Okay«, sagte er. »Es geht los. Dieses Angebot aus Italien; es ist nur eins, aber sie bieten; darauf kommt es an. Und sie werden weiter bieten, höher und höher.«
    »Mann!« sagte Cheryl Vale. »Das sollten wir mit einer Pfeife Sogum feiern.« Das konnte sie verstehen; die theologische Diskussion hatte sie verwirrt, aber das hier nicht. Wie R. C. war sie ein praktisch denkender, vernünftiger Mensch.
    »Her mit dem Sogum«, nickte Sebastian. »Sogum ist jetzt genau das Richtige.«
    »Jetzt haben Sie ihn also«, stellte Lindy fest. »Sie müssen sich nur noch entscheiden, an wen Sie in verhökern.« Er schnitt eine düstere Grimasse.
    »Vielleicht werden wir ihm die Entscheidung überlassen«, sagte Sebastian. Es war eine Möglichkeit, über die sie bisher nicht gesprochen hatten; als Leichnam war der Anarch nichts weiter als ein Objekt gewesen, eine Ware. Aber jetzt wurde er zu einem Menschen, obwohl er, technisch gesehen, Eigentum des Vitariums war … ein menschliches Handelsgut. »Er war – ist – ein kluger Mann«, bemerkte er. »Wahrscheinlich kann er uns mehr über Ray Roberts sagen als die Bibliothek.« Und Lotta war noch nicht zurückgekehrt, fiel ihm ein, und er spürte, daß irgend etwas schiefgegangen war. Er fragte sich, was … und in welchem Umfang … und der Gedanke beschäftigte ihn weiter, im Hintergrund seines Bewußtseins. Trotz des dringenderen Problems, das der Anarch darstellte.
    »Bringen wir ihn in eine Klinik?« fragte R. C.
    »Nein«, entschied Sebastian. Es war zu riskant; Dr. Sign würde ihn hier im Haus medizinisch versorgen müssen.
    »Offenbar erlangt er das Bewußtsein wieder«, sagte Dr. Sign. »Er scheint den Wiedergeburtsprozeß mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit zu durchlaufen; das bedeutet, daß sein Tod damals sehr schnell eintrat.«
    Sebastian beugte sich über den Anarchen, musterte ihn, musterte das schmale, dunkle, faltige Gesicht. Es war jetzt zweifellos das Gesicht eines Lebenden; die Veränderung erschien ihm enorm.

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