Die Zeit: auf Gegenkurs
… neigt dazu, es auf die Farbigen zu beschränken.«
Die Brauen zogen sich zusammen; der Anarch sagte nichts, aber er wirkte nicht mehr entspannt. »Wenn ich Ihnen jetzt eine peinliche Frage stelle«, murmelte der Anarch, »werden Sie so freundlich sein und mir eine ehrliche Antwort geben? Gleichgültig, wie unangenehm sie auch sein mag?«
»Ja«, versprach Sebastian und wappnete sich.
Der Anarch fragte: »Ist Udi ein Zirkus geworden?«
»Manche Leute glauben es.«
»Hat Mr. Roberts versucht, mich zu finden?«
»Möglicherweise.« Er antwortete vorsichtig; dies war ein gefährliches Thema.
»Haben Sie ihn über meine … Wiedergeburt informiert?«
»Nein«, gestand Sebastian. Nach einer Pause fügte er hinzu: »Normalerweise bleibt ein Altgeborener einige Zeit im Krankenhaus, und das Vitarium erbittet Angebote von seinen Verwandten und Freunden. Oder, wenn es sich um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handelt …«
»Falls er keine Verwandte und Freunde hat«, unterbrach der Anarch, »und keine P ersönlichkeit des öffentlichen Lebens ist, wird er dann wieder getötet?«
»Er wird zu einem Mündel des Staates. Aber in Ihrem Fall, Sie sind offensichtlich …«
»Ich möchte, daß Sie Mr. Roberts bitten, hierherzukommen«, sagte der Anarch mit seiner heiseren, trockenen Stimme. »Da er ohnehin eine Pilgerfahrt nach Kalifornien unternimmt, wird ihm das keine Umstände machen.«
Sebastian überlegte. Dann erklärte er: »Ich würde vorziehen, daß Sie uns den Verkauf überlassen. Wir sind Fachleute, Eure Hoheit. Es ist unser Beruf. Ich würde vorziehen, Ray Roberts nicht hierherzubringen oder ihm überhaupt irgendwelche Informationen über Sie zu geben. Er ist nicht der Käufer, den wir im Sinn haben.«
»Verraten Sie mir den Grund?« Erneut richteten sich die weisen Augen auf ihn. »Werden die Uditen das Geld nicht aufbringen wollen?«
»Das ist nicht das Problem«, wehrte Sebastian ab. Er gab Dr. Sign ein verstohlenes Zeichen, und der Arzt kam sofort herüber.
»Ich glaube, Sie sollten sich jetzt ausruhen, Anarch«, sagte Dr. Sign.
»Ich unterhalte mich später weiter mit Ihnen«, versprach Sebastian dem Anarchen. »Ich gehe mir eine Einlaufpfeife genehmigen, aber ich komme noch heute abend wieder.« Er verließ den Bürotrakt und den Anarchen, öffnete die Tür und schloß sie sorgfältig hinter sich; doch Miss Fisher saß in ihre Lektüre vertieft an ihrem Platz.
»Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen«, sagte Sebastian.
Sie blickte auf, lächelte, erhob sich graziös und blieb vor ihm stehen; sie war verhältnismäßig groß und sehr schlank, und ihre Brüste waren ungewöhnlich klein; sie hatte die Figur eines durchtrainierten jungen Mädchens. Aber ihr Gesicht war scharfgeschnitten und ausgereift, mit ausdrucksvollen Zügen. Und erneut dachte er: Sie ist eine der bestgekleideten Frauen, die ich je gesehen habe. Und Kleidung hatte ihn bisher noch nie beeindruckt.
Nachdem sie den Einlauf hinter sich hatten, schlenderten sie durch die abendlichen Straße, schauten sich die Schaufenster an, sprachen sehr wenig, warfen sich von Zeit zu Zeit vorsichtige Blicke zu. Sebastian Hermes hatte ein Problem. Er wollte noch immer ins Vitarium zurückkehren und sich wieder mit dem Anarchen unterhalten, aber das konnte er erst, wenn er Miss Fisher eine Weile Gesellschaft geleistet hatte.
Miss Fisher jedenfalls schien nicht zu beabsichtigen, ihm so bald Guten Tag zu sagen, wie es normal und üblich gewesen wäre. Er fragte sich, warum; je später es wurde, desto seltsamer kam es ihm vor.
Plötzlich, als sie in einem Schaufenster Möbel aus marsia nischem Wackelholz betrachteten, fragte Miss Fisher: »Was ist heute für ein Tag? Der achte?«
»Der neunte«, sagte Sebastian.
»Sind Sie verheiratet?«
Er dachte kurz nach; eine Antwort auf eine derartige Frage mußte wohlüberlegt werden. »Auf dem Papier«, sagte er. »Lotta und ich haben uns getrennt.« Es stimmte. Auf dem Papier.
»Ich frage nur«, fuhr Miss Fisher fort, »weil ich ein Problem habe.« Sie seufzte.
Jetzt kam es heraus. Der Grund, warum sie bei ihm geblieben war. Er sah sie von der Seite her an, erneut sich ihrer Attraktivität bewußt werdend, erstaunt über das Maß an Vertrautheit, das sich bereits zwischen ihnen entwickelt hatte. »Erzählen Sie. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Nun, sehen Sie … vor etwa neun Monaten war da dieses süße kleine Baby namens Arnold Oxnard Ford. Sie verstehen die
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