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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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»Immer werden wir Uditen für Gewalttaten verantwortlich gemacht; das ist die bewährte Politik unserer Gegner in der Regierung und den Medien.«
    »Glauben Sie, daß sich Lotta ebenfalls in einem der beiden obersten Stockwerke befindet?« fragte Sebastian.
    »Höchstwahrscheinlich.« Seine Heiligkeit sah Sebastian forschend an. »Ich stelle fest, daß Sie trotz meiner Ermahnung den Großteil Ihrer knapp bemessenen Zeit damit verbringen werden, sie zu suchen.« Er zuckte in philosophischer Ergebenheit die Schultern; die Geste verriet Einfühlungsvermögen, sie drückte Verständnis aus, keine Ablehnung. »Nun, Hermes; überprüfen Sie Ihre Überlebensausrüstung und begeben Sie sich dann zur Bibliothek. Es war angenehm, mit Ihnen zu sprechen. Ich nehme an, wir werden uns wiedersehen, vielleicht sogar heute noch. Guten Tag.«
    »Guten Tag, Sir«, sagte Sebastian und legte auf.
    Er öffnete den Kühlschrank, der mit seinen diversen Lieblingsspeisen gefüllt war, die er zum Supermarkt bringen mußte, und inspizierte den kleinen weißen Karton, den Giacometti und der Roboter dort deponiert hatten. Zu seiner Enttäuschung enthielt er nur drei Gegenstände. Eine LSD-Gasgranate. Ein orales Gegenmittel gegen das LSD – wahrscheinlich Phenothiazin –, das er während der Suche in der Bibliothek in einer Plastikkapsel im Mund tragen konnte; das waren zwei von den drei Gegenständen. Und der dritte. Er betrachtete ihn einige Minuten lang und erkannte zunächst nicht, um was es sich handelte. Eine Injektionspistole, die mit einer kleinen Menge einer hellen Flüssigkeit gefüllt war; in der Verpackung befand sich eine Gebrauchsanweisung, und er zog sie heraus und las sie.
    Wenn er sich die Lösung injizierte, würde sie ihn für eine begrenzte Zeit von der Wirkung der Hobart-Phase befreien.
    Er würde in der Zeit stillstehen, erkannte er; er würde sich praktisch weder vorwärts noch rückwärts bewegen. Paradoxerweise war der Stillstand nicht von Dauer; nach höchstens sechs Minuten objektiver Zeit würde sich die Wirkung verflüchtigen. Aber für ihn würden Stunden vergehen.
    Dieser letzte Ausrüstungsgegenstand, wurde ihm klar, stammte aus Rom; er erinnerte sich, daß das Mittel in der Vergangenheit zur Verlängerung spiritueller Meditation verwendet worden war, allerdings nur mit begrenztem Erfolg. Inzwischen war es offiziell verboten worden und nicht mehr erhältlich. Aber hier hielt er es in der Hand.
    Bei seiner Suche nach spiritueller Erfahrung verschmähte der römische Auftraggeber auch keine Dinge von praktischem Wert.
    Eine Kombination der Gegenstände, das LSD für die Bibliothekswächter, die Injektion für ihn – und er würde in Bewegung sein und sie nicht; so einfach war das. Und in Übereinstimmung mit Giacomettis Wünschen würde niemand verletzt werden.
    Für eine subjektive Zeitspanne von ein bis drei Stunden würde er sich wahrscheinlich in den oberen Stockwerken der Bibliothek frei bewegen und alles tun können. Die Überlebensausrüstung erschien ihm trotz aller Einfachheit hervorragend zusammengestellt.
    Er nahm rasch eine Dusche, zog schmutzige Kleidung an, klebte sich Bartstoppeln ins Gesicht, nahm einen Sogumeinlauf, würgte verschiedene Speisen in die rituellen Schüsseln und verließ dann, mit dem Manuskript unter dem Arm, die leere, einsame Wohnung und trat hinaus auf die Straße, wo er in der vergangenen Nacht seinen Wagen abgestellt hatte. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Meine einzige Chance, meine letzte Chance, erkannte er. Um Lotta herauszuholen. Und mit ihr, wenn möglich, den Anarchen. Wenn ich versage, ist sie wirklich verloren. Fort. Für immer.
    Einen Moment später brauste er mit seinem Wagen hinauf in den hellen Morgenhimmel.

    16. K APITEL

    Diese Gedanken wälzte ich
in meinem unglücklichen Herzen,
von der bohrenden Sorge gequält,
daß ich sterben könnte,
bevor ich die Wahrheit gefunden hatte.
– Augustinus

    »Ein Mr. Arbuthnot ist hier«, meldete sich Doug Applefords Sekretärin über die Wechselsprechanlage in seinem Büro.
    Er gähnte. Nun, da war sie also; die Last, die ihm die stets begeisterte Charise McFadden aufgebürdet hatte. »Schicken Sie ihn herein«, befahl Appleford. Er schob seinen Sessel zurück, faltete die Hände und wartete.
    Ein großer, eindrucksvoller, elegant gekleideter Mann mittleren Alters erschien in der Tür seines Büros. »Ich bin Lance Arbuthnot«, murmelte er; seine Augen wanderten unbehaglich umher,

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