Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Männer hatten keine Hemden an, sondern Umhänge aus fedrigem Material, die Frauen waren in gewebte Oberteile gehüllt. Sie hielten ihr offenes Haar durch breite Stirnbänder zurück, die Männer hatten ihres zu einer Art Knoten auf dem Kopf zusammengefasst. Die Maori wirkten zwar fremdartig, aber keinesfalls bedrohlich. Als Kittens Blick auf Reverend Morton fiel, der ihn lüstern erwiderte, fand sie eher ihn bedrohlich. Sicher konnte er ihr gefährlicher werden als jeder der Menschen dieses Eingeborenenstammes.
»Du!« Der Reverend ging auf sie zu und hob wieder die Hände, als wollte er beten oder seinem Gott danken. »Die Wege des Herrn sind unergründlich. Du … und ich …«
Kitten wandte sich an Carpenter. »Ich wollte nicht verkauft werden«, sagte sie. »Ich will keine Hure werden. Bitte … bitte nehmen Sie mich mit zu der Siedlung an der Cookstraße. Ich werde irgendetwas arbeiten … Als Dienstmädchen oder was auch immer …«
Carpenter lachte, er wirkte fast etwas mitleidig. »Kleine, ich weiß ja nicht, was du dir vorstellst, aber das Kaff da oben ist keine Großstadt. Da gibt’s zwei, drei Farmer, die haben ihre Weiber mitgebracht und einen Stall voller Kinder. Hauspersonal brauchen die nicht. Dann treiben sich noch ein paar Missionare da oben rum und Landvermesser – für die alle gibt’s einen Gemischtwarenladen und ein paar Pubs. In denen findest du zweifellos Arbeit – nur keine ehrliche …«
Kitten senkte verzweifelt den Kopf. Also wieder nichts, wieder eine zerstörte Hoffnung … und erneut die Fistelstimme des Reverends.
»Ein jeder muss sein Schicksal annehmen und den Platz einnehmen, den Gott für ihn bestimmt hat!«
Kitten starrte ihn an. Als der Missionar sich bekreuzigte, griffen die Männer wieder wachsam nach ihren Kriegskeulen. Das Zeichen schien ihnen wohl suspekt. Die Frau mit den weichen Gesichtszügen – Kitten registrierte jetzt ihre vornehme Haltung und den Umstand, dass um ihre Schultern ein ähnlich weicher, fedriger Mantel lag, wie ihn einige der Männer trugen – versuchte wieder, Te Puaha zu einer Übersetzung zu drängen. Die Ausdrucksweise des Reverends schien den Maori jedoch zu überfordern.
»Nun machen Sie aber mal halblang!«, warf dagegen Carpenter ein. »Das kann ja wohl nicht gottgewollt sein, dass man die Kleine verkauft wie ein Stück Vieh! Predigt ihr nicht sonst immer, die leichten Mädchen seien verdammt? Und ihre Freier nicht minder?« Wieder grinste er.
»Das ist es ja gerade!«, erklärte der Missionar aufgeregt. »Das versuche ich dem Mädchen ja zu erklären. Es ist nicht verdammt. Gott in seiner unendlichen Gnade hat seine Jungfräulichkeit bewahrt und es hierher geschickt. Zu mir! Ich werde seinem Ruf folgen und das Mädchen zur Frau nehmen! Wir werden eine gute, christliche Ehe führen …«
Kitten verkrampfte sich, die Welt verschwamm vor ihren Augen, und die aromatischen Essensgerüche auf dem Platz verursachten ihr plötzlich Übelkeit. Alles in ihr wehrte sich gegen den Gedanken, Reverend Morton zum Mann zu nehmen. Auch wenn es sicher ihre einzige Chance war, zu einer ehrbaren Frau zu werden. Unter den Maori, die hier in ihrem eigenen Dorf zu Zuschauern dieses für sie unverständlichen Dramas gemacht wurden, machte sich Unruhe breit. Te Puaha übersetzte für die große schlanke Frau.
»Eine gute Ehe?«, erregte sich Carpenter wutentbrannt. Er war viel kleiner als der Reverend, allerdings schien sein Zorn ihn wachsen zu lassen. »Sie sind dreimal so alt wie das Mädchen, Sie Mistkerl! Schauen Sie sich das Kind doch an! Schämen sollten Sie sich, dass Sie auch nur daran denken, das kleine Ding in Ihr Bett zu zerren.«
Der Missionar zuckte die Schultern. »Besser eine junge Braut als eine junge Sünderin«, bemerkte er und ging auf Kitten zu. »Nun sag doch selbst etwas dazu, meine Schöne. Willst du mir mit Gottes Hilfe eine gute Frau sein?«
Kitten wich zurück.
»Nein!«, flüsterte sie. »Nein, ich …«
Sie suchte nach einem Fluchtweg, während Reverend Morton sie fixierte wie eine Katze die Maus. Wenn sie noch weiter zurückwich, würde sie gleich gegen eines der Häuser gedrängt … In Panik ergriff sie schließlich die Flucht nach vorn – und rannte dabei fast in die Maori-Frau mit dem Umhang hinein. Kitten murmelte eine Entschuldigung und wollte weiterlaufen, aber dann legten sich ihr große, warme Hände auf die Schultern. Die Frau bedeutete ihr, stehen zu bleiben, und auf eine Kopfbewegung ihrerseits
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