Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
einen Zentimeter oberhalb seines Halses eingerastet.
»Natürlich, Herr Polizeidirektor«, presste er heraus. Wir stahlen uns zur Tür.
»Noch was!«, rief uns Oberhammer nach. »Melden Sie sich bei der Signora aus Rom. Sie erwartet Sie im Bischöflichen Ordinariat! Folgen Sie Ihren Anweisungen! Und jetzt raus!«
Ein dumpfes Fluchen war auf dem Gang noch zu hören. Oberhammer kochte vor Wut, besaß aber genug Selbstbeherrschung, sie uns nicht zu zeigen. Letzteres fehlte Heinlein.
»Das ist die mieseste Tour, die ich jemals erlebt habe! Wie ein Schulbub muss ich vor dem Arsch einen Diener machen, nur weil der Herr wieder mal Mist gebaut hat.«
»Jetzt pluster dich nicht so auf«, versuchte ich ihn zu beruhigen, »es ist doch alles glatt gelaufen.«
»Einen verdammten Scheiß ist es! Ich hänge wie festgekettet an dir dran und gehe mit dir zugrunde. Ob mir das nun passt oder nicht.«
»Bisher hat immer alles geklappt. Wieso nicht auch dieses Mal?«
»Weil irgendwann Ende der Fahnenstange ist. Du kannst nicht immer so viel Glück haben.«
»Wie du siehst, schon. Ich frage mich nur, wer daran interessiert ist, uns vor dem Galgen zu retten.«
»Na, wer wohl?!«
Es war Zeit, mich zu bedanken. Ich erwischte Pia nach einer Obduktion im Waschraum. Allein. Die blutverschmierten grünen Klamotten lagen zerknüllt in einem Korb, sie, makellos schön in ihrer eleganten Unterwäsche, war über das Waschbekken gebeugt und musterte müde ihre Stressfalten im Spiegel. Als sie mich sah, fuhr sie herum.
»Wer hat dich hier reingelassen?«, fauchte sie mich an.
»Beruhige dich. Kein Grund zur Panik. Ich wollte mich nur bedanken. Sonst nichts.«
»Wofür?«
»Für deine Hilfe. Schorsch hat mir erzählt …«
»Der redet eindeutig zu viel!«, unterbrach sie mich barsch und streifte sich einen frischen Kittel über, als gelte es, jeden Quadratzentimeter nackte Haut vor meinen unberechtigten Blicken zu verbergen. Merkwürdig, noch vor ein paar Wochen war genau das Gegenteil der Fall gewesen. Da konnte sie sich nicht schnell genug aus den Klamotten befreien.
»Es ist nicht selbstverständlich, dass du das alles für mich tust«, sagte ich.
»Schön, dass du das endlich mal kapierst.«
»Wieso machst du’s dann?«
»Weil ich wahrscheinlich eine blöde Zicke bin.«
»Das war doch nur ein Scherz.«
»Ach ja? Klang verdammt ernst gemeint.«
»Lass uns nicht streiten. Ich bin hier, um Danke zu sagen.«
»Fein, ich hab’s vernommen. Dann kannst du jetzt wieder gehen. Ich habe zu tun.«
»Jetzt stell dich nicht so an. Ich will, dass wir Freunde bleiben.«
»Freunde? Was soll das denn sein? Für dich gibt es doch nur eine Sorte Freund, und der bist du selbst. Andere interessieren
dich nicht.«
»Das stimmt nicht. Ich habe mich eine lange Zeit sehr zu dir hingezogen gefühlt. Nur … die Dinge haben sich geändert.«
»Du hast dich geändert, nicht die Dinge. Das ist ein sehr großer Unterschied. Und überhaupt, welche ›Dinge‹ sollen das denn sein?!«
»Das zwischen uns. Am Anfang war alles einfach und ohne Stress. Je länger wir aber zusammen waren, desto schwieriger wurde es. Ging es dir nicht genauso?«
»Nein, ganz und gar nicht. Je länger ich nämlich mit dir zusammen war, desto intensiver wurde die Beziehung zwischen uns. Zumindest für mich. Eine Beziehung zu führen heißt, sich auseinander zu setzen mit dem anderen, sich zu engagieren, sich zu kümmern. Und genau da liegt dein Problem. Du willst niemand an dich heranlassen, weil du Angst hast.«
»Aha, und wovor habe ich Angst?«
»Dass jemand hinter deine Fassade schaut und den kleinen Kilian erblickt, wie er am Rockzipfel seiner Mama hängt.«
»Jetzt mach mal halblang, ich glaub, du spinnst!«
»Keine Sekunde. Ich sehe plötzlich alles ganz klar. Dir geht ganz schön die Muffe, weil du weißt, dass, wenn jemand hinter deine coole Tour kommt, er ganz schön enttäuscht sein wird, was er da vorfindet. Es ist alles nur Show bei dir. Nichts ist ehrlich, und nichts ist auf Vertrauen ausgelegt. Ein einziges Ablenkungsmanöver. Es fehlt dir einfach der Mut, dich auf jemanden einzulassen. Er könnte ja etwas entdecken und es für seine Zwecke nutzen. Stattdessen lässt du den großen Macho raushängen, stakst rum wie ein brünstiger Gockel und schlägst jeden vor den Kopf, der dir zu nahe kommt. Diese ganze Italiengeschichte ist nichts anderes als eine Flucht vor dir selbst. Und solltest du es wirklich einmal schaffen, dort wieder hinzukommen, dann wirst
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