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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Verhalten doch das Produkt
jahrhundertealter Tradition. Jeden Abend wurde der Marsch
unterbrochen und die Rationen ausgeteilt: getrockneter Quark,
Hirsemehl, kumis, ein alkoholisches Getränk, das aus
fermentierter Stutenmilch hergestellt wurde, und getrocknetes
Fleisch. Am Morgen taten die Reiter Wasser und ein Stück
getrockneten Quark in einen ledernen Beutel, und das
Schütteln unterwegs verwandelte es bald in eine Art Joghurt,
das dann mit größter Begeisterung und reichlich
Rülpsen konsumiert wurde. Kolja beneidete die Mongolen um
ihre Kenntnisse und Fähigkeiten: wie sie aus Kuhhaut
Rohleder herstellten, ja sogar wie sie ein Destillat aus
menschlichem Urin als Medizin gegen Fieber benutzten.
    Das Heer des Khans bewegte sich flott voran, und Befehle sowie
Planänderungen wurden schnell und ohne Verwirrung zu stiften
weitergegeben. Die Armee unterlag einer strengen Hierarchie,
wobei für Gruppierungen eine Zehnerregel galt: Auf diese
Weise wurde die Befehlskette vereinfacht, denn kein Offizier
hatte mehr als zehn Untergebene. Die Mongolen statteten ihre
Kommandanten mit weitgehenden Vollmachten aus, was die
Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit erhöhte. Und
der Khan stellte sicher, dass alle Einheiten seiner Armee, bis
hinab zum armseligsten Haufen, aus einer Mischung von
Nationalitäten, Klans und Stämmen bestand: Er duldete
keine andere Loyalität als jene seiner eigenen Person
gegenüber. Es war, fand Kolja, eine bemerkenswert moderne
Art, eine Armee zu strukturieren; kein Wunder, dass diese
Mongolen die zusammengewürfelten Ritterheere des
mittelalterlichen Europa mühelos überrannt hatten! Doch
ihr System war zwangsläufig auf einen tüchtigen und
loyalen Stab angewiesen; und so gab es bei den Offizieren eine
gnadenlose Auslese – angefangen von der Ausbildung,
über Tests wie die Battue bis hin zu Gefechten mit
Feinden.
    Nach einigen Tagen – immer noch tief im Herzen der
Mongolei – überquerte die Armee eine Grasebene
Richtung Karakorum. Diese Stadt war einst das Machtzentrum der
Uiguren gewesen, und nun hatte Dschingis Khan sie zu seinem
eigenen ständigen Regierungssitz bestimmt. Doch selbst aus
einiger Entfernung konnte Kolja erkennen, dass ihre Mauern in
Trümmern lagen. Innerhalb des Walles drängten sich in
einer Ecke ein paar verlassene Tempel zusammen, doch den Rest der
Stadt hatte sich das allgegenwärtige Steppengras
zurückerobert.
    Umgeben von stämmigen Leibwächtern stapften
Dschingis Khan und sein Sohn Ögödei durch die Ruinen.
Es war erst ein paar Jahre her, seit er die Stadt ihrer
Bestimmung übergeben hatte, und nun sah er sie wieder, dem
Erdboden gleichgemacht. Mit einer Miene wie Donnergrollen sah
Kolja ihn zu seiner Reisejurte zurückkehren, sichtlich
zornig auf die Götter, die ihn und seine Ambitionen zum
Gespött machten.
     
    In den folgenden Tagen zog das Heer durch das Tal des Flusses
Orchon – eine immense Ebene, die im Osten durch blaue Berge
begrenzt war. Fast wie ein vallis auf dem Mars, dachte
Kolja beiläufig. Das Erdreich hier war grau und schuppig,
der Fluss träge; gelegentlich waren Nebenflüsse und
Seitenarme zu durchwaten. Die Nachtlager wurden auf nackten,
schlammigen Sandinseln aufgeschlagen, und würzig duftende
Feuer aus trockenem Weidenholz loderten auf.
    Nach der Durchquerung eines letzten Flusses stieg das Land
stetig an. Sable sagte, sie würden nun die spätere
mongolische Provinz Arhangay verlassen und das Hangay-Massiv
überqueren. Hinter ihnen wurde das Tiefland zu einem
Flickenteppich aus Wäldern und Flusstälern, doch
gelegentlich konnte Kolja schon den einen oder anderen Blick auf
die urtümlichere gelbbraune Landschaft werfen, die sich
hinter den Bergen erstreckte.
    Der breite höchste Teil des Massivs bestand aus vielen
kleinen Felskämmen und Falten, die übersät waren
von Geröll – so als hätten viele kreuz und quer
verlaufende Zeitrisse hier stattgefunden. Doch ein Steinhaufen
– ein Grenzmal oder Hügelgrab – hatte das alles
überdauert, und als das Heer ihn passierte, fügte jeder
Mann einen Stein hinzu; wenn alle daran vorbeigezogen sein
würden, dachte Kolja, sollte aus dem Steinhaufen ein
mächtiger Hügel geworden sein…
    Schließlich folgte der Abstieg zur Steppe und der
Weitermarsch. Das Massiv wanderte langsam an den Horizont weit
hinter ihnen und ließ nichts als flaches Land zurück.
Sie zogen über eine baumlose Ebene, wo das hohe Gras

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