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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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draußen vor den
Fenstern sahen, als eine kontinuierliche Diaschau, weitab
jeglicher Realität.
     
    Etwa um die Mittagszeit an diesem zehnten Tag steckte Sable
von oben, aus dem Aufenthaltsraum, den Kopf durch die Luke nach
unten. »Wenn ihr zwei nichts anderes vorhabt«, sagte
sie, »dann würde ich vorschlagen, dass wir
reden.«
    Die beiden Männer kauerten unter den dünnen
silbrigen Notfalldecken zusammengerollt auf den Liegesitzen, die
Blicke voneinander abgewandt. Sable ließ sich herab und
quetschte sich auf ihren Platz.
    »Uns gehen die Sachen aus«, stellte sie ohne
Umschweife fest. »Essen und Wasser gehen aus, Luft und
Feuchttücher gehen aus, und Tampons habe ich auch keine
mehr.«
    Musa sagte: »Aber die Situation auf dem Boden hat sich
noch nicht normalisiert…«
    »Hör doch auf, Mann!«, brauste Sable auf,
»ist dir noch nicht klar geworden, dass sich die Situation
nie normalisieren wird? Was immer mit der Erde da unten
passiert ist – es sieht nicht so aus, als würde sich
daran noch was ändern! Und für uns auch
nicht.«
    »Wir können nicht landen«, warf Kolja ruhig
ein. »Wir haben keine Bodenunterstützung.«
    »Technisch gesehen«, sagte Musa,
»könnten wir den Wiedereintritt selbst
durchführen. Die automatisierten Systeme der
Sojus…«
    »Ja, ja«, unterbrach ihn Sable, »das ist das
kleine tapfere Raumschiff, das alles kann, richtig?«
    »Niemand, der die Bergung durchführt«,
beharrte Kolja, »keine Hubschrauber, keine Sanitäter.
Wir waren drei Monate im Weltraum – plus zehn weitere
unerwartete Tage. Wir wären schwach wie neugeborene
Kätzchen. Unter Umständen schaffen wir nicht einmal den
Ausstieg aus der Landekapsel.«
    »Dann«, knurrte Musa, »müssen wir
sicherstellen, dass wir irgendwo in der Nähe von Menschen
landen – irgendwelcher Menschen – und uns denen auf
Gnade und Ungnade ausliefern.«
    »Gefällt mir nicht besonders, diese
Aussicht«, sagte Sable. »Aber haben wir eine andere
Wahl? Im Orbit bleiben? Ist es das, was du willst, Kolja? Hier
heroben hocken und Bilder machen, bis dir die Zunge am Gaumen
festklebt?«
    »Möglicherweise wäre das ein besseres Ende als
das, was uns da unten erwartet«, meinte Kolja. Wenigstens
befand er sich hier in einer vertrauten Umgebung, in dieser
altgedienten Sojus. Es gab keine Möglichkeit, auch nur im
Entferntesten vorherzusehen, was sie unten auf dem Boden
erwartete – und Kolja war nicht überzeugt davon, dass
er den Mut aufbrachte, sich dem zu stellen.
    Musa langte mit seiner Bärenpranke herüber und
drückte Koljas Knie. »Nichts, weder unsere Ausbildung
noch unsere Traditionen, hat uns auf eine Situation wie diese
vorbereitet. Aber wir sind Russen – und wenn wir, was
leicht sein könnte, die letzten Russen auf dieser Welt sind,
dann müssen wir so ehrenhaft wie möglich leben oder
sterben.«
    Sable war so klug, den Mund zu halten.
    Widerstrebend nickte Kolja. »Also landen wir.«
    »Na Gott sei Dank!«, bemerkte Sable.
»Nächste Frage: Wo?«
    Die Sojus war darauf angelegt, auf festem Boden zu landen
– glücklicherweise, dachte Kolja, denn eine Landung im
Meer, wie sie von den Amerikanern einst durchgeführt worden
war, wäre ohne Hilfe von außen ihr sicherer Tod
gewesen.
    »Wir können selbst bestimmen, wo wir den
Wiedereintritt beginnen«, sagte Musa. »Aber danach
sind wir ganz auf den automatischen Ablauf angewiesen. Und sobald
wir am Fallschirm hängen, haben wir keinen Einfluss mehr auf
unser Schicksal. Wir haben nicht einmal eine Wettervorhersage
– der Wind könnte uns hunderte Kilometer weit durch
die Luft ziehen. Wir brauchen jedenfalls Platz für eine
unsichere Landung, was heißt, wir müssen in
Zentralasien runterkommen, genau wie von den Konstrukteuren
vorgesehen.«
    Von Sables Seite kam keinerlei Einspruch, obwohl Musa das
unverkennbar erwartet hatte; sie zuckte nur die Achseln.
»Was ja nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Wir haben
doch schon Hinweise, dass es in Zentralasien Menschen gibt
– nichts Modernes, aber jedenfalls Besiedelung, und zwar
ziemlich konzentriert: Denkt nur an die vielen Lagerfeuer, die
wir bisher gesehen haben. Wir müssen Menschen finden, und ob
wir dort suchen oder woanders, ist völlig egal.« Das
klang ganz logisch, aber Kolja fiel eine ganz neue,
unerklärliche Härte um ihre Mundwinkel auf – als
würde sie bereits kühl spekulierend die Situation nach
der Landung einzuschätzen

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