Die Zeit-Odyssee
noch Ihrem wahren
Schicksal entsprechen?«
»Nun ja«, meinte Ruddy umgehend, »wenn sie
das nicht tun, wenn meine verlorene Zukunft zu Schall und Rauch
geworden ist, zum spöttischen Traumspiel der Schwermut
– was kann es dann schaden, wenn ich davon
höre?«
Bisesa schüttelte den Kopf. »Ruddy, reicht es
nicht, wenn ich Ihren Namen gut kenne – in
einhundertfünfzig Jahren?«
Ruddy nickte, halbwegs einsichtig geworden. »Sie haben
ja Recht. Dieses kleine bisschen Wissen ist mehr, als den meisten
Menschen je gegönnt sein kann, und ich sollte jener Gottheit
– wie viele Arme sie auch immer haben mag –, die
dafür verantwortlich ist, aus ganzem Herzen
danken.«
»Aber Ruddy!«, stichelte Josh, »wie kannst
du da so gleichmütig bleiben? Ich denke, du bist der
eitelste Mann, dem ich je begegnet bin. Sie müssen wissen,
Bisesa, schon lange, bevor Sie in unser Leben getreten sind, war
er der Überzeugung, er sei dazu auserkoren, in lichte
Höhen aufzusteigen. Und jetzt will er, dass Sie, eine
Berichterstatterin aus der Zukunft, ihm das persönlich
bestätigen! Ich glaube, er ist der Meinung, dass diese ganze
gegenwärtige Wirrnis auf der Welt nur für ihn allein
arrangiert wurde.«
Diese Worte konnten Ruddys vornehme Gelassenheit in keiner
Weise berühren.
Noch eine kleine Merkwürdigkeit begegnete ihnen an diesem
ersten Tagesmarsch.
Sie standen plötzlich vor einer Unterbrechung des
gleichförmigen steinigen Bodens. Es war praktisch eine
Stufe, deren senkrechter Teil wie glatt poliert wirkte. Die Stufe
war etwa einen halben Meter hoch aus dem Untergrund geschnitten
und verlief wie mit dem Lineal gezogen schnurgerade von einem
Horizont zum anderen. Es hätte kein Problem bedeutet
hochzuspringen und das Hindernis zu überwinden, aber die
Soldaten hielten inne und liefen ratlos davor auf und ab.
Josh blieb neben Bisesa stehen. »Und wie«, fragte
er, »erklären Sie sich nun dies hier? Man hat fast den
Eindruck, als hätte hier jemand zwei Teile der Welt
zusammengefügt.«
»Ich glaube, genau so ist es auch, Josh«, murmelte
Bisesa. Sie kniete sich hin und berührte den glatten Fels.
»Wir haben hier eine tektonisch aktive Region –
Indien drängt gegen Restasien; würde man zwei
aneinander grenzende Landstücke nehmen, die zeitlich
voneinander ein paar Hunderttausend Jahre oder mehr getrennt
sind, wäre dies in etwa das Ausmaß an
Höhenunterschied, das man erwarten
könnte…«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, gestand
Josh.
Bisesa stand auf und schlug sich den Staub von der Hose.
Vorsichtig streckte sie die Hand aus, bis ihre Finger über
die Linie der Unterbrechung hinausreichten, ehe sie sie rasch
wieder zurückzog. »Was hast du erwartet,
Bisesa!«, schalt sie sich innerlich, »ein
Kraftfeld?« Ohne weiteres Zögern sprang sie die Stufe
hoch auf die obere Ebene und machte ein paar Schritte
vorwärts – in die Zukunft, in die Vergangenheit.
Josh und die anderen beeilten sich, ihr zu folgen, und alle
nahmen den unterbrochenen Marsch wieder auf.
Während der nächsten Rast warf Bisesa einen
genaueren Blick auf Ruddys »Lahore-Übel« –
das Geschwür auf seiner Wange. Er war der Meinung, es sei
auf einen Ameisenbiss zurückzuführen, doch hatte es auf
die vom Arzt verordnete Behandlung mit Kokain nicht angesprochen.
Bisesa hatte nur wenig Ahnung von Medizin, aber sie fand, das
Geschwür sah nach Leishmaniose aus, ein Leiden, das von
einem durch Sandfliegen übertragenen Parasiten verursacht
wird, und behandelte es mit dem Inhalt ihres
Notfallkästchens. Bald darauf fing das Geschwür an,
sich zu schließen und zu verblassen. Später sollte
Ruddy gestehen, dass diese kleine Begebenheit ihn mehr als alles
andere – noch mehr sogar als Bisesas spektakuläres
Erscheinen in diesem abstürzenden Helikopter – davon
überzeugt hätte, dass sie tatsächlich aus der
Zukunft kam.
Um etwa vier Uhr nachmittags ließ Batson anhalten.
Im Windschatten eines Hügels begannen die Rekruten, das
Nachtlager aufzubauen. Sie lehnten ihre Waffen an einen Felsen
und legten die Tornister ab; dann zogen sie die Stiefel aus und
schlüpften in ihre Chaplies – Sandalen, die sie
in ihren Ranzen mitgeführt hatten. Kleine Schaufeln wurden
ausgegeben, und alle, einschließlich Josh, Bisesa und
Ruddy, gingen daran, aus dem losen Geröll einen kleinen Wall
um das Lager aufzuschichten und flache Schlafstellen auszuheben.
All das waren
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