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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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– das alles war mehr oder weniger
so wie immer.
    Doch unter dieser Sonne, innerhalb der Kontinente, gab es
viele Eigentümlichkeiten.
    Die Verteilung der Eisdecken hatte sich verändert. Als
die Kapsel über den Himalaja hinwegzog, sah er deutlich die
Gletscher, die sich nun von den Hängen des Hochgebirges bis
hinab ins Flachland wanden. Die Sahara hingegen war keine
Wüste mehr – zumindest keine vollständig
trockene: Hier und dort waren neue Oasen aufgetaucht, grüne
Flecken, die manchmal fünfzig Kilometer Seitenlänge
hatten und von völlig geradlinigen Segmenten begrenzt
wurden. Im Gegensatz dazu entdeckte er kleine
Wüstenschnipsel mitten in der grünen Weite des
südamerikanischen Regenwaldes. Plötzlich war die Welt
zu einem Flickenteppich geworden. Doch im Laufe der Tage, die
vergingen, bemerkte Kolja, dass die grünen Flecken in der
Wüste bereits verblassten; anscheinend wurden die Pflanzen
braun und starben ab.
    Waren die äußerlichen Veränderungen des
Planeten selbst nur relativ geringfügig, so schienen die
Auswirkungen auf die Menschheit dramatisch.
    Am Tage waren die Städte und Farmen aus dem Orbit immer
schon schwer auszumachen gewesen, doch jetzt waren selbst die
breiten Straßen, die etwa das rote Herz Australiens
durchschnitten, nicht mehr da. Großbritannien, seiner Form
nach leicht zu erkennen, schien von Schottland bis zur
Kanalküste von einer nahtlosen Decke aus Wäldern
überzogen; Kolja erkannte zwar die Themse wieder, aber sie
war breiter als in seiner Erinnerung, und man sah keine Spur von
London. Einmal entdeckte er ein helles orange-gelbes Leuchten
mitten in der Nordsee, das er für eine brennende
Ölplattform hielt. Eine riesige schwarze Rauchwolke stieg
davon auf und breitete sich über ganz Westeuropa aus. Als
das Feuer im Sendebereich seiner Richtantenne lag, bemühte
sich Musa verzweifelt, Funkkontakt herzustellen, aber er erhielt
keine Antwort; es waren auch keine Schiffe oder Flugzeuge zu
sehen, die den unglücklichen Ölbohrern hätten zu
Hilfe eilen können.
    So ging es weiter. Aber wenn Kolja die Tagseite des Planeten
befremdlich fand, dann wollte ihm bei der Nachtseite schier das
Herz brechen. Die Lichter der Städte, einst ein Netzwerk aus
funkelnden Edelsteinen, das die Kontinente überzog, waren
verschwunden, alle erloschen.
    Und wohin er auch blickte, es war überall das Gleiche
– mit wenigen, ganz wenigen Ausnahmen. Inmitten einer
Wüste konnte er das Schimmern eines Lagerfeuers ausmachen,
aber es war ihm sofort klar, dass es sich auch um ein durch
Blitzschlag entfachtes Feuer handeln konnte. Doch in
Zentralasien, an der Grenze der Mongolei, gab es auf engerem Raum
eine Vielzahl solcher Feuer, und mitten in dem Gebiet, das einst
der Irak gewesen war, schien sich sogar eine Stadt zu befinden;
doch sie war klein und lag völlig abgeschieden, und bei
Nacht strahlte sie nur ein schwaches, ungleichmäßiges
Glimmen aus, das eher von Laternen und offenen Feuern zu stammen
schien als von elektrischer Beleuchtung. Sable behauptete, in der
Gegend von Chicago Hinweise auf menschliche Besiedlung bemerkt zu
haben, und einmal wurde die Besatzung der Sojus ganz aufgeregt,
als ein lang gezogenes Leuchten an der Westküste der
Vereinigten Staaten zu sehen war, doch das stellte sich als
glühende Lava heraus, die an verschiedenen Stellen entlang
eines tektonischen Bruches hervorquoll und kurz danach unter
großen Wolken aus Asche und Staub verschwand.
    Nach einer ersten Abschätzung war die Menschheit
verschwunden – und mehr konnte man dazu nicht sagen. Und
was Koljas eigene Familie betraf – Nadja und die Jungen
–, so war auch Moskau verschwunden; Russland war leer.
    Sehr zurückhaltend diskutierte die Besatzung der Sojus,
was diese gigantische Veränderung verursacht haben
könnte. Vielleicht hatte ein weltweiter Krieg die Erde
entvölkert – das schien die wahrscheinlichste
Hypothese. Aber wenn das stimmte, dann hätten sie doch die
militärischen Befehle gehört, hätten die
leuchtenden Bahnen aufsteigender Interkontinentalraketen gesehen,
hätten verzweifelte Hilferufe vernommen – hätten
brennende Städte erblickt, denen kein Gott mehr helfen
konnte. Und welche vorstellbare Kraft war fähig, Dutzende
Kilometer große Eisfelder und grünendes Land
hochzuheben und an weit entfernte Orte zu verfrachten?
    Diese Diskussionen führten nie sehr weit. Vielleicht
fehlte ihnen allen dreien einfach die

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