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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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zurecht und
brachten Speisen herein, und eine Reihe von Pagen schleppte
Wasserkrüge. Hephaistion selbst stocherte, auf einen
Ellbogen gestützt, träge in einem Tablett voll Fleisch
herum.
    Unter dem Laken rührte sich etwas. Ein Junge tauchte mit
schlaftrunkenen Augen darunter hervor, setzte sich auf und
blickte verwirrt um sich. Hephaistion lächelte ihn an, legte
die Finger auf die Lippen und berührte dann jene des Jungen,
tätschelte seine Schulter und sagte: »Geh
jetzt.«
    Der Junge kletterte von der Liegestatt; er war nackt. Ein
Diener hüllte ihn in einen Umhang und führte ihn aus
dem Raum.
    Eumenes, der am Eingang stehen geblieben war, gab sich
Mühe, seine Verachtung für alles, was er hier sah, zu
verbergen. Er hatte lange genug mit diesen Mazedoniern gelebt und
gearbeitet, um sie zu verstehen. Unter ihren Königen waren
sie zu einer Kriegsmacht zusammengeschweißt worden, die in
der Lage war, die Welt zu erobern, aber im Grunde waren es
Angehörige von Hochlandstämmen, nicht mehr als zwei
Generationen von ihren uralten Traditionen entfernt.
Gelegentlich, wenn sie ausgelassen feierten, war Eumenes sogar
geneigt, sich ihnen das eine oder andere Mal zuzugesellen –
als höfliche Geste und weil es politisch klug erschien.
Dennoch: Einige dieser Pagen waren die Söhne vornehmster
mazedonischer Familien, die man in den Dienst der
königlichen Offiziere gestellt hatte, um ihre Ausbildung zu
vollenden. Eumenes konnte sich nur entfernt vorstellen, was
für Auswirkungen es auf solche Jünglinge haben musste,
wenn sie ihre Vormittage damit verbrachten, die stinkende
Hinterlassenschaft irgendwelcher sturzbetrunkenen Barbarenkrieger
aufzuwischen – oder ihnen in den Nächten in anderer
Weise zu Diensten zu sein.
    Endlich nahm Hephaistion Eumenes’ Anwesenheit wahr.
»Du kommst heute früh, Kanzler.«
    »Das glaube ich nicht – außer die Sonne
fängt schon wieder an, planlos über den Himmel zu
hüpfen.«
    »Dann bin ich wohl spät dran. Hah!« Er
fuchtelte mit einem fleischbesteckten Spieß vor
Eumenes’ Augen herum. »Probiere mal davon! Du
würdest nie glauben, dass ein totes Kamel so gut
schmeckt!«
    »Der Grund, warum die Inder ihre Speisen so stark
würzen«, dozierte Eumenes, »ist der Umstand,
dass sie faules Fleisch essen. Ich bleibe lieber bei Obst und
Lammfleisch.«
    »Du bist wirklich ein Langweiler, Eumenes«, sagte
Hephaistion ungeduldig.
    Eumenes schluckte seinen Ärger hinunter. Ungeachtet
seiner ewigen Rivalität mit Hephaistion glaubte er, die
üble Laune des Mazedoniers zu verstehen. »Und du
vermisst den König. Ich nehme an, es gibt noch immer keine
Nachricht von ihm?«
    »Die Hälfte unserer Kundschafter kehrt nicht einmal
zurück.«
    »Und es ist dir ein Trost, dich zwischen den Schenkeln
eines Pagen zu verlustieren?«
    »Du kennst mich allzu gut, Kanzler.« Hephaistion
ließ den Spieß zurück auf den Teller fallen.
»Vielleicht hast du Recht mit diesen Gewürzen. Dennoch
schlagen sie eine Bresche durch meine Innereien wie unsere
Gefährten zu Pferde durch die persischen
Linien…« Er kletterte von seiner Liegestatt,
streifte sein Nachtgewand ab und schlüpfte in eine saubere
Tunika.
    Es waren viele Gegensätzlichkeiten, die dieser Mazedonier
in sich vereinte, dachte Eumenes des Öfteren:
Größer als die meisten anderen, hatte er außer
einer ziemlich langen Nase regelmäßige
Gesichtszüge, überraschend blaue Augen und kurz
geschorenes schwarzes Haar. Er benahm sich kultiviert, aber es
gab keinen Zweifel, dass er ein Krieger war, wie die vielen
Narben auf seinem Körper bewiesen.
    Jedermann wusste, dass Hephaistion seit ihrer Knabenzeit der
engste Freund des Königs war und sein Liebhaber seit ihrer
Jugend. Obwohl der König Ehefrauen genommen hatte,
Mätressen und andere Liebhaber – letztens den
kriecherischen persischen Eunuchen Bagoas –, hatte er
Eumenes einst in angetrunkenem Zustand gestanden, dass er immer
nur Hephaistion als einzig wahren Gefährten und einzig wahre
Liebe seines Lebens betrachtete. Doch der König, der den
Durchblick behielt, auch wenn es um Freunde ging, hatte
Hephaistion den Oberbefehl über diese Heeresgruppe gegeben
und ihn zuvor schon zu seinem Chiliarch gemacht – also zu
seinem Wesir nach persischem Vorbild. Und was Hephaistion anging,
so gab es keinen anderen, keinen außer dem König
selbst; seine Pagen und andere Konkubinen waren samt und sonders
unbedeutende Nullen,

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