Die Zeitbestie
Kopf so groß wie Chengs Faust und der Rumpf so lang wie sein Arm, die Flügel Laken aus gebrochenem Glas; ein Tausendfüßler von der Länge einer Pythonschlange und der Farbe alten Bluts schlängelte sich gerade aus einem Loch in einem verfaulten Baumstamm; Käfer von den Ausmaßen von Rugbybällen gruben sich in riesige Scheißhaufen; und irgendwelche grauenhaften klappernden Verwandten des Moskitos versuchten hartnäckig, auf Cheng zu landen, und drohten mit Rüsseln, die an Subkutannadeln erinnerten.
»Weg mit euch!«, schrie er, und im Dschungel ringsherum wurde es plötzlich still. In dieser Stille geschah es, dass Chengs Überlebensinstinkt die Oberhand über den entstehenden Wahnsinn gewann und ihm einfiel, dass die Muskete nicht geladen war – hatte er sie doch mitten ins Gesicht eines grauhaarigen Waldmonsters abgefeuert, als die Monster noch mit Haaren bedeckt gewesen waren. Er hämmerte mit dem Kolben auf einem verfaulenden Baumstamm herum, um sicherzustellen, dass nichts darin hauste, setzte sich und lud die Waffe mit schwitzenden, zitternden Händen. Als er sich dann etwas ruhiger fühlte, setzte er seinen Weg fort.
Voraus schien es heller zu sein, und Cheng-yi trabte in diese Richtung, stimuliert von der Hoffnung, die Walddüsternis verlassen zu können. Was er dann erreichte, war eine Schneise der Verwüstung quer durch den Dschungel. Baumstämme lagen überall darauf verstreut, ihres Laubs beraubt. Ein forschender Blick nach rechts zeigte Cheng, dass drei weitere Brontosaurier in der Ferne aufragten und einander zubrüllten, während sie ihr Rodungsprojekt fortsetzten. Sie stiegen auf die Hinterbeine, um die obersten Blätter zu erreichen, und stützten sich mit den Vorderbeinen an den Bäumen ab, bis diese einfach nachgaben und umkippten. Hinter diesen Riesen graste eine Herde kleinerer Dinosaurier am Abfall des Brontosaurier-Vormarsches, und diesen wiederum folgten, in viel größerer Nähe zu Cheng-yi, Carnosaurier, die nicht höher aufragten als bis zu seiner Taille und sich an der Goldader aus aufgestöberten Insekten ergötzten.
Cheng-yi wusste sofort, dass diese kleineren Kreaturen ihn keinesfalls zu Gesicht bekommen durften. Er zog sich in den Schatten der Bäume zurück und ging weiter. Bald plagten ihn keine Moskitos mehr, und das Getöse der Entwaldung verklang in der Ferne. Er blieb stehen, suchte vorsichtshalber erst mal nach weiteren Rieseninsekten und setzte sich erneut auf einen umgestürzten Baumstamm. Er lehnte die Muskete bequem neben sich an den Stamm und zog die Jacke aus, um etwas Erleichterung von der enormen Hitze zu finden. Mit geschlossenen Augen lauschte er dem Geräusch des Windes, der seufzend durchs Laub fuhr. Cheng war so müde, dass er weder die Augen wieder öffnen noch sich bewegen wollte. Dann wurde ein lautes Summen vernehmbar. Er schlug die Augen gerade noch rechtzeitig auf, um einem Insekt zuvorzukommen, das einer geflügelten grauen Chilischote glich und auf seinem Arm zu landen versuchte. Er schlug es zu Boden, und ein hühnergroßer Carnosaurier schoss unter dem Stamm hervor, schnappte sich das Insekt und kaute darauf, während er mit seinen Falkenaugen Cheng betrachtete. Vorsichtig griff der Chinese nach der Muskete.
Die Kleidung war der Inbegriff schierer Funktionalität, aber Tack hatte sich noch nie so wohl gefühlt. Die Jacke schloss dicht mit dem Bund der Drillichhose ab, wie diese wiederum mit den leichten Stiefeln. Alle Taschen verfügten über den gleichen undurchlässigen Verschluss, und ihrer gab es viele. Die Sachen waren außen wasserdicht. Die Handschuhe steckten in Spezialtaschen an den Ärmeln, und man konnte eine Kapuze aus dem Kragenstück am Genick ziehen und vorne mit einem Filmvisier vereinen, das an der Vorderseite hervorgeholt werden konnte. Das alles war ebenfalls solide abzudichten. Miniaturpumpen in den Ärmeln, dem kreisrunden Kragen und den Stiefeln sorgten für Luftzirkulation, um die Temperatur innerhalb der Kleidung zu regulieren. Die Energie stammte aus Batterien in den Fersen der Stiefel, die wiederum konstant von der fotovoltaischen Außenschicht der Kleidung aufgeladen wurden. Außerdem diente die Isolierschicht aus prallabsorbierendem Schaumverbundmaterial gleichzeitig als Schutzpanzer. Der Anzug schützte durch ein supraleitendes Maschengewebe in dem Verbundstoff vor Hitzewaffen. Tack fühlte sich unverwundbar, besonders wenn er liebevoll den Rucksack betrachtete, den er gerade sicher im Mantisal verstaut hatte. Die
Weitere Kostenlose Bücher