Die Zeitbestie
grell war, stammte es doch vom infraroten Ende des Spektrums. Dumpfer Donner hallte wider, und die Reste der Stadt verformten sich unter einem gewaltigen Hitzeausbruch.
Silleck spürte die Hitze im Gesicht – und in den trockenen Augen.
Polly gab weiter, was Nandru ihr berichtete: »Aconite und Wespe hielten sich in der Toruskammer auf, als Aconite auf einmal hinausstürmte. Wespe folgte ihr ins Wohnzimmer, als in Wespe auf einmal ein System ansprang und Nandru hinauswarf. Er fand jedoch noch Gelegenheit zu sehen, dass Ygrol tot war – denn man verspritzt nicht so viel Hirnmasse, ohne kurz darauf einen Leichensack zu benötigen.«
»Bitte Nandru, so genau wie möglich zu schildern, was er sonst noch gesehen hat«, sagte Tack.
Polly legte einen Augenblick lang den Kopf schief und machte schmale Augen. »Einer hielt Tacitus eine Pistole an den Kopf. Zwei hielten Ygrol auf einem Stuhl fest, und es scheint, dass Makali ihm gerade das Hirn aus dem Schädel geprügelt hatte. Die beiden anderen hat Nandru allerdings nicht gesehen.«
»Sie sind wahrscheinlich alle tot«, sagte Tack.
»Aber falls nicht, müssen wir ihnen helfen«, entgegnete Polly.
Tack starrte sie an, den Karabiner auf der Schulter. Er war es so satt, wie sich diese Umbrathan und Heliothan unaufhörlich gegenseitig umbrachten und andere in diesen Konflikt hineinzerrten. Er war jetzt sein eigener Herr und wollte da einfach nicht mehr mitmachen. Er wollte auch nicht wieder in eine Lage gebracht werden, wo er selbst erneut töten musste. Allerdings hatte Aconite dafür Sorge getragen, dass man ihn aus dem Meer fischte, und sie hatte ihn anschließend wieder zusammengeflickt. Er schuldete ihr etwas. Und zu guter Letzt wollte er Pollys Respekt gewinnen – und was immer sonst sie womöglich zu geben bereit war. In diesem Augenblick wurde ihm schlagartig bewusst, dass sein Leben aufs Neue begann und er seiner neuen Verantwortung gerecht werden musste. Scheißheld, dachte er.
»Was dort auch passiert ist, wir kommen eh zu spät, um es aufzuhalten. Aber sehen wir mal, was wir herausfinden können«, sagte er, und der Magen drehte sich ihm um, als er eine solch positive Äußerung aus dem eigenen Mund hörte.
Er ging voraus, aus dem Flussbett heraus, und folgte einer Kreisbahn, die sie vom Gebirge her zu Aconites Haus führte. Während sie noch kletterten, ging der Regen in einen Nieselregen über. Dann erhob sich ein Wind und blies auch das weg. Die Wolken rissen auf, gaben den Blick frei auf die Sterne und den ersten Topasschimmer der Morgendämmerung hinter den Bergen. Als das Haus schließlich unter ihnen ins Blickfeld geriet, badete bereits zitronengelbes Sonnenlicht die Küste dahinter und warf ein goldenes Funkeln über die Wellen. Die Zitadelle zu ihrer Linken hatte sich nicht verändert, aber rings um ihre höchsten Punkte umwölkten nach wie vor untierhafte Verzerrungen den Himmel.
»Warum geschieht das?«, wollte Tack wissen.
Einen Augenblick später antwortete Polly: »Aconite sagt, Cowl bezöge seine Energie aus geothermischen Quellen und zapfte sie aus einer geologischen Verwerfung, die hier ihren Ausgang nimmt. Daraus speist er das Torusbiest, wenn es etwas für ihn tun soll, und dieselbe Energie öffnet auch einen Spalt in die Alternativzeit des Untieres. Dieses ist stets bestrebt, seinen Weg über die hiesige Zeitlinie zu nehmen und dabei direkten Zugriff auf die Energiequelle zu nehmen – und was wir sehen, ist das Resultat davon.«
»Aber Cowl gestattet ihm diesen Weg nicht.«
»Nein. Ich weiß nicht, was für eine Technik er einsetzt, aber er verhindert, dass das Untier ganz in Phase kommt. Es bewegt sich nur um wenige Grad außerhalb der Phase – aber ausreichend weit entfernt, um keine größeren Effekte zu zeitigen als diese.«
»Und falls es mal ganz durchbräche?«
»Dann wäre Cowl so tot wie wir.«
Tack erinnerte sich an diese dicken Kabel, die hinaus ins Meer führten. Nach ihnen zu urteilen, musste die dort gewonnene Energiemenge gewaltig sein. Sie war allerdings nicht vergleichbar mit dem, was die Sonnenzapfstelle lieferte, da kein Kabel jemals deren Ausstoß transportieren konnte. Als er wieder zum Haus blickte, packte er Polly plötzlich an der Schulter und zog sie mit zu Boden. Sie verfolgten, wie ein Wachposten der Umbrathan ins Freie trat, auf die Rückseite des Hauses ging und dort an die Wand pinkelte.
»Wir werden Folgendes tun«, sagte Tack.
Polly ging lässig vom Fluss herauf auf das Haus zu, als
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