Die Zeitbestie
Hufen herumliefen, und Dienstboten, die hinterhertrabten und die bluttropfenden Beutetiere an Holzstangen trugen. Die Frauenzimmer kamen nun aus dem Haus, um die heimkehrenden Jäger zu begrüßen und sie schrill zu ihrem erfolgreichen Ausflug zu beglückwünschen. Es war eine leuchtende und fröhliche Szene, die in die Zeit passte und hoffentlich von Polly auch gewürdigt wurde, wenn man an all das dachte, was sie nur zu bald würde erleiden müssen. Eingefasst in ihr lebendiges Glas, betrachtete die Zuschauerin nun lächelnd, wie Polly über den Anblick Bertholds kicherte – ein Anzug mit Karomustern, mit silbernen Glöckchen und albernen Schuhen mit hochgekrümmten Zehen. Es war nicht genug, würde nie genug sein. Es war, als sähe man einem Kind zu, wie es lächelnd in eine Bärenfalle tappte.
Nach Sonnenaufgang stiegen die Moeritherien aus dem See, um sich grasend ihren Weg durch die dicke Vegetation der Umgebung zu suchen, dabei fortwährend muhend und meckernd. Sie kamen dicht am Lager vorbei, aber ihre einzige Reaktion auf die drei Menschen bestand darin, eine Zeit lang stehen zu bleiben, zu mampfen und aus eng stehenden Augen herüberzublicken, ehe sie schnaubten und ihres Weges zogen. Das fortwährende Mampfen dieser Kreaturen erinnerte Tack an den eigenen Hunger, und er fragte sich, ob sich Coptic je die Mühe machen würde, seinem Gefangenen etwas zu essen zu geben.
»Im Rucksack findest du etwas zu essen«, sagte Coptic später, aber erst, als die Sonne schon hoch stand. Den ganzen Vormittag lang hatte Coptic völlig reglos und schweigsam neben Meelan in der Lotusstellung gesessen. »Und ich hätte jetzt gern Kaffee. Falls du irgendetwas findest, mit dem du nicht umgehen kannst, ist dir erlaubt zu fragen, wie es funktioniert.«
Tack war schon mit dem vertraut, was man im Rucksack des Reisenden fand, und suchte sich jetzt etwas zu essen und alles nötige Zubehör zum Kaffeekochen. Er hatte kaum Schwierigkeiten, den kleinen Elektroherd aufzubauen. Er nahm einen zusammengeklappten Wasserbehälter zur Hand, faltete ihn auseinander und wartete pflichtschuldigst, bis Coptic in seine Richtung blickte.
»Nur zu.« Coptic deutete gereizt auf den See.
Von der Felsnase aus folgte Tack dem Weg, den die Moeritherium-Herde freigetrampelt hatte. Als er sich am Ufer bückte, wurde ihm klar, dass jetzt die richtige Gelegenheit war, falls er fliehen wollte – denn obschon Coptic übermenschlich schnell war, war er womöglich nicht bereit, von Meelans Seite zu weichen. Aber wohin sollte Tack flüchten – in ein einsames, möglicherweise allzu kurzes Leben in einer prähistorischen Wildnis? Schließlich hatte er keine Ahnung, wie er ein Mantisal rufen sollte. Nachdem er den Behälter gefüllt hatte, kehrte er auf die Felsnase zurück, wo Meelan sich jetzt aufrichtete und schon viel gesünder aussah.
Ohne sich um das leise Gespräch zwischen den beiden zu kümmern, füllte Tack einen Kessel und stellte ihn auf den Herd; und während er ihn betrachtete, bemühte er sich, seiner Verwirrung Herr zu werden. Obwohl der Reisende Tacks Loyalität neu eingestellt hatte, hatte er ihm mehr Spielraum für eigene Entscheidungen gelassen, als er von früher kannte. Während seiner Arbeit für die U-Reg hatte Tack weder die Zeit noch die Neigung aufgebracht, um über sein Leben als Ganzes nachzudenken. Er war nichts weiter gewesen als eine organische Maschine. Jetzt jedoch verfügte er über einen größeren Betrachtungsrahmen. Er hatte das aufrichtige Bedürfnis, besser verstehen zu lernen, was in der Welt um ihn herum geschah, daran voll teilzunehmen, Erfahrungen zu machen und richtige Gefühle zu haben. Um dieses unklare Ziel zu erreichen, musste er jedoch erst mal frei sein. Die Freiheit von Programmierung und dem Willen anderer musste jetzt sein höchstes Ziel sein.
Zu dritt tranken sie Kaffee und verspeisten einige Vorräte aus dem Rucksack, während sie vorsichtig die Wanderung dreier großer, rinderartiger Tiere in unmittelbarer Nähe im Auge behielten. Diese seltsamen Kreaturen wiesen Ähnlichkeit sowohl mit Ochse wie mit Hirsch auf, konnten aber nicht eindeutig als das eine oder andere identifiziert werden. Tack wusste, dass er in Gesellschaft des Reisenden seine Neugier hätte stillen können, nicht jedoch bei seinen derzeitigen Gefährten. Als sie ihr Mahl beendet hatten, wies Coptic Tack an, sämtliche Utensilien wieder zu verstauen und den Rucksack aufzunehmen. Und wie zuvor in Gesellschaft des Reisenden musste
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