Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
voll mit der du nkelroten Flüssigkeit, und der metallische Geruch des Blutes stieg ihr warm in die Nase. Doch schnell wurde der Strom zu einem schmalen Rinnsal, der schließlich ganz versiegte.
Ihre Mutter nickte zufrieden. „Gevatter Tod wird auf diesen Mann noch ein wenig warten müssen. Die Pfeilspitze ist schmal und glatt, wie ich gehofft hatte, und die Wunde hat schnell aufgehört zu bluten. Ich glaube nicht, dass er innere Verletzungen hat, die ihm gefährlich werden könnten.“
Hanna war froh, dass zumindest diese Prozedur für den Mann keine Schmerzen mit sich gebracht hatte. Er war immer noch bewusstlos und hatte während der ganzen Behandlung keinen Laut von sich gegeben.
Ihre Mutter legte den Pfeil beiseite. „Ich denke, wir sollten es jetzt wagen. Vielleicht ist seine Ohnmacht so tief, dass er auch von dem Ausbrennen nichts spürt.“
Sie wickelte ein Stück Stoff um die Hand und zog die orange leuchtende Klinge aus den Flammen. „Das sollte reichen. Es ist heiß genug.“
Zacharias hatte sich die ganze Zeit nicht gerührt, sondern das Geschehen wortlos beobachtet und auch nicht auf Hannas aufmunter ndes Lächeln reagiert. Doch jetzt, als sich ihre Mutter mit dem Messer dem Verletzten näherte, stellte er sich breitbeinig vor das Bett und versperrte ihr den Weg. Satzfetzen sprudelten aus seinem Mund, er sprach schnell und aufgeregt, doch in Hannas Ohren mischte sich alles zu einem unverständlichen Brei. Aber es war auch so nicht zu übersehen, dass Zacharias das glühende Messer für keine gute Behandlungsmethode hielt.
Ihre Mutter funkelte ihn wütend an. „Hanna, bring dem kleinen Dummkopf hier bei, dass ich nicht die Absicht habe, diesen Mann umzubringen. Er soll mich gefälligst meine Arbeit tun lassen oder mit ihm verschwinden!“
Hanna fasste Zacharias am Arm und zog ihn beiseite. „Alles wird gut“, sagte sie leise und tröstend. Sie wusste nicht, ob er sie verstanden hatte oder ob es allein der ruhige und besonnene Tonfall gewesen war, der ihn nun dazu brachte, sich wieder an das Fußende des Bettes zu setzen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Ihre Mutter beugte sich über den verwundeten Leib und presste mit einer schnellen, aber sicheren Bewegung die glühende Klinge auf die Wunde. Der Oberkörper des Verletzten bäumte sich auf, ein erstickter Schrei schien sein Innerstes zu erschüttern, doch schon wurde das Messer zurückgezogen und mit einem gequälten Stöhnen fiel er z urück auf das Stroh. Der süßliche, schwere Geruch des verbrannten Fleisches durchdrang den Raum, schien in jede Ritze zu kriechen, und einen Augenblick dachte Hanna, sie müsste sich übergeben.
Aber sie wusste, dass sie noch einiges mehr aushalten musste, wenn sie einmal eine Heilerin wie ihre Mutter sein wollte. Der Junge am Fußende des Bettes hustete. Aus seinem Gesicht war jede Farbe gewichen. Er tat ihr leid. Wenn Zacharias so etwas noch nie gesehen hatte, musste es für ihn noch viel schlimmer sein.
Ihre Mutter beugte sich mit kritischem Blick über die Wunde, von der immer noch ein feiner Rauchfaden aufstieg. Sie legte das Messer beiseite. „Es ist genug. Hanna, bereite das Leintuch mit dem Johanniskrautöl vor.“
Hanna blickte in das bleiche Gesicht mit den geschlossenen Augen. Gott sei Dank war der Mann wieder bewusstlos. Damit konnte er sich glücklich schätzen. Selbst wenn ein Patient schlimmste Schmerzen hatte, kam es manchmal vor, dass das Geschenk einer gnädigen Ohnmacht ausblieb. Sie faltete das Leintuch, das als Verband dienen sollte, auseinander und öffnete das Gefäß mit dem Johanniskrautöl.
Ihre Mutter beobachtete, wie sie die schimmernde Flüssigkeit in kleinen Kreisen auf das Tuch träufelte. „Erinnerst du dich noch daran, warum wir das Johanniskrautöl benutzen?“
Das war einfach.
„Weil es die Entzündung der Wunde verhindern kann.“
„Richtig. Und wie sieht das Kraut aus und wo gedeiht es?“
„Es ist von kniehohem Wuchs und im Hochsommer findet man es an Waldrändern und Feldern.“
Hanna verschloss das Gefäß und verstrich das überschüssige Öl auf dem Stoff. „Johanniskraut liebt die Hitze und deshalb blüht es zur Sonnenwende. Man erkennt es an seinen gelben, länglichen Stängeln, und werden die Blätter zerrieben, färben sie die Hände rot wie von Blut. Es soll nur gesammelt werden, wenn die Stängel saftig und mit Mark gefüllt sind. Dann ist die Heilkraft am größten.“
„Sehr gut“, lobte ihre Mutter. „Und hilft das Kraut nur gegen das
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