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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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seltsame Würde, die mich beunruhigt und mich nachts nicht schlafen läßt.«
    Finn ergriff so unvermittelt das Wort, daß ich erschrak. »Ich glaube, ich weiß jetzt, worauf Sie hinauswollen, Freund Raksha.« Er wandte sich an Callahan. »Seien Sie nicht so sicher, daß man sich nicht bei den Hühnern entschuldigt. Ich habe selbst zu der Zeit, als ich den Meistern diente, mehrere Rassen ausgerottet, und dennoch trauerte ich vergangene Woche um meine Schweine, als ich sie schlachtete. Sie waren dumm, schmutzig und nicht sprachbegabt, aber sogar ein Schwein kann Würde ausstrahlen.
    Sie verstanden nicht, konnten nicht verstehen, warum sie sterben mußten – und trotzdem empfand ich das unlogische Bedürfnis, es ihnen zu erklären.« Er wandte sich wieder dem fellbedeckten Krundai zu. »Ich verstehe Ihre Motivation. Auch ich habe sie einmal empfunden und unterließ es daraufhin, diese Welt zu zerstören. Sie wirkt wie ein Planet voll Verrückter – obwohl das zum Großteil auf die Tätigkeit von Ihnen und Ihresgleichen zurückzuführen sein dürfte. Doch das wußte ich nicht, denn Sie hatten sich gut getarnt.
    Dennoch hielt ich die Hand des Meisters zurück, verriet meine Sendung, weil ich hier in diesem Raum lernte, daß die Menschen zur Liebe fähig sind.«
    »Das ist die Eigenschaft, über die jene Menschen verfügen mußten, vor denen ich mein Geständnis ablegen wollte«, gab Raksha zu. »Das Gefühl, das Sie Liebe nennen, war nach unserer Erfahrung immer ein Symptom des Merkmals, das ich vorhin erwähnt habe. Daß die Menschen das Symptom ohne das Merkmal besitzen, ist eine der großen Anomalien, die meine Gedanken verwirrt und mein Geständnis verzögert haben.«
    »Dieser Propagandafeldzug, von dem Sie gesprochen haben«, ließ Callahan nicht locker. »Ich möchte noch immer wissen, wie Sie die Menschen beeinflußt haben. Durch Flüsterpropaganda? Durch Leitartikel in Zeitungen? Durch Gerüchte?«
    »Gelegentlich.« Raksha zögerte, und sein Gesicht lief dunkelgrün an. »Und manchmal«, fuhr er widerwillig fort, »durch direkte Interventionen.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich als Menschen verkleidet haben? Fünfte Kolonne und so?« Der massige Ire schien etwas herausfinden zu wollen, und ich kam nicht darauf, was es war.
    »Alle Krundai auf dieser Welt haben irgendwann aus den verschiedensten Gründen Menschen gespielt. Einer von uns war Saulus von Tarsus, ein anderer Torquemada, wieder ein anderer Thomas Edison. Otto Hahn war auch einer von uns.«
    »Und Sie?« bohrte Callahan erbarmungslos weiter. »Wer waren Sie?«
    Mir fiel plötzlich ein, daß Raksha erwähnt hatte, wann er zum ersten Mal an seiner Sendung irregeworden war, und mein Blut stockte.
    »Ich ...« stieß er mühsam hervor, »mich haben die Menschen als Adolf Hitler gekannt.«
    Das Schweigen war lebendig, nagte an unserem Verstand, lähmte unsere Gedanken. Rings um uns ging die verrückte Halloween-Party weiter, ahnungslose Menschen lachten und tanzten, die vier Gorillas in der Ecke pokerten. Keinem von uns fiel etwas ein, was er darauf sagen konnte, und nach einiger Zeit fuhr Raksha gleichgültig fort. »Es war eine leichte Rolle. Meine Ausbildung in Menschenführung war viel umfassender gewesen. Es war so einfach, daß ich Zeit hatte zu denken, zu beobachten, zu erkennen, was ich tat. Vielleicht trug auch die Tatsache etwas dazu bei, daß ich hier geboren bin und Krundar nur einmal besucht habe. Jedenfalls begann ich zu zweifeln; meine unbewußte Unsicherheit störte mich bei der Arbeit. Der Hauptzweck dieser Kampagne war, die Feindseligkeiten so lange hinauszuziehen, bis die Atomwaffen erfunden wurden, und es gelang mir beinahe, meinen Auftrag zu vermurksen, indem ich zu früh zusammenbrach. Aber meine Kollegen waren imstande, meinen Fehler wieder auszubügeln, indem sie den Konflikt im Pazifik lang genug ausdehnten. Ich redete mir ein, daß meine Depression eine Folge meines persönlichen Versagens war, aber im tiefsten Inneren wußte ich, daß mich eigentlich das Ausbessern meiner Fehler aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen hatte. Ich habe seither lange und gründlich darüber nachgedacht, und jetzt bin ich hier und habe es mir von der Seele geredet.«
    Doc Webster zauberte vom Südhang seines Bauches eine Hüftflasche hervor, setzte sie an und stellte sie dann leer auf den Tisch. Rings um uns tranken, plauderten und lachten die Menschen, ohne eine Ahnung von dem Drama zu haben, das sich in ihrer Mitte

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