Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
mehr der liebe Uwe», sagt seine Mutter.
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Das Trio findet sich
Zwischen den beiden Uwes und Beate Zschäpe entwickelt sich eine enge Freundschaft. Eigentlich tauchen sie von nun an überall nur noch zusammen auf.
Sie sind 20, 18 und 16 Jahre alt. Was schweißt diese drei jungen Menschen zusammen? Ist es ein Minderwertigkeitskomplex, weil sie alle nicht wirklich im Berufsleben Fuß fassen? Sind es die Brüche in ihren jungen Leben seit der Wende, die sie teilen? Wollen sie dem Gefühl, als Ostdeutsche nur «Deutsche zweiter Klasse» zu sein, durch das Abwerten von Ausländern begegnen? Oder ist es einfach nur die menschliche Zuneigung untereinander, weil die Jungs in Beate Zschäpe verliebt sind und diese sich in ihrer Gegenwart familiär geborgen fühlt?
Eines verbindet sie auf jeden Fall: die Ideologie, der Neonazismus. Ihr Hass auf Ausländer, Juden, Linke, ja alles Fremde, schweißt sie nach innen noch mehr zusammen. Sie gehen auf Demos und Kameradschaftsabende und erleben hier die Gemeinschaft und Zugehörigkeit, die sie gesucht haben. In der Szene sind sie einfach nur «die drei»: Mundlos ist der Kluge, Zschäpe das hübsche Mädchen und Böhnhardt der Mann fürs Grobe.
Uwe Böhnhardt ist mittlerweile berüchtigt. Unter Linken und Punkern in Jena gilt die Ansage: «Wenn ihr Böhnhardt seht, dann rennt.»
Ein Mann, der in den neunziger Jahren als Punker öfter Kontakt mit dem Trio hatte, erinnert sich an ihn. Er sei ein «durchgeknalltes, brutales Schwein» gewesen. Auch in der braunen Szene gilt Böhnhardt als reizbar und unberechenbar. «Uwe war sehr cholerisch und ist schnell ausgetickt, jeder in der Clique wusste von seinen vielen Vorstrafen», sagt ein damaliger Freund aus der Kameradschaftsszene. Man erzählt sich, dass Böhnhardt einer sei, der zur «Gewaltexplosion» neigt: Bei einer Schlägerei finde er kein Ende – wenn der Gegner schon am Boden liege, dresche der Böhnhardt trotzdem weiter auf ihn ein.
Uwe Böhnhardt interessiert sich für Kampfsport und gilt als Waffennarr. Ein Bekannter erinnert sich: «Er kannte sich aus, egal ob es sich um eine Steinschleuder handelte – oder eine Pistole.» Böhnhardt prahlt damit, immer einen Dolch bei sich zu tragen, manchmal zeigt er ihn auch herum. «Keiner wollte Streit mit ihm», sagt ein ehemaliger Kamerad aus dem «Thüringer Heimatschutz». Alle, mit denen man in diesen Tagen spricht, meinen, Böhnhardt sei schwer zugänglich gewesen, nicht so kommunikativ wie Mundlos und bei weitem nicht so sympathisch. Das tut der Freundschaft der beiden aber keinen Abbruch.
Die zwei Männer des Trios ziehen nun gemeinsam in braunem Hemd, schwarzen Lederstiefeln und mit einem Armee-Koppelgürtel in der schwarzen Panzerhose um die Häuser von Winzerla. Sie spielen SA und SS. In die Innenstadt würden sie sich so nicht trauen, die ist «Zeckengebiet». Hier haben die linken Jugendlichen die Oberhand. Aber auf den Straßen des Neubaugebiets haben die Rechten das Sagen. In Winzerla kleben die Nazis Aufkleber, sogenannte Spukis, an Laternenpfähle und markieren damit ihr Revier. Jeder zweite Jugendliche trägt hier Bomberjacke. Ausländer und linke Jugendliche sollen sich hier nicht wohlfühlen und sich nur noch mit Angst auf die Straße trauen. In den Augen der Rechten ist Winzerla «national befreite Zone».
Doch «die drei» verbringen längst noch nicht ihre gesamte Zeit mit «politischem Kampf», wie sie brutale Überfälle auf Andersdenkende und Rudolf-Heß-Gedenkmärsche nennen. Bei Kameraden treffen sie sich zum Nintendo-Spielen. Im Jugendzimmer von Holger G. tragen sie harmlose Fußballspiele auf der Spielkonsole aus. Er wird ihnen später im Untergrund helfen, an Waffen zu kommen.
An den Sommerwochenenden zwängen sie sich mit Freunden in ihre Autos und fahren auf die Dörfer ins Umland. Irgendwo ist immer ein Sport- oder Dorffest. Auf Dorfdiskos in Kahla, Bürgel oder Zimmern tanzen sie zu Nena oder «Neue Deutsche Welle»-Schlagern. Auch in einer Großraumdiskothek an der Straße zwischen Jena und Naumburg fallen die beiden Männer des Trios auf, weil sie schwarze Hose, braunes Hemd und Krawatte tragen. Die Disko trägt den Namen der Bundesstraße: B 88 – die Zahl 88 ist unter Neonazis ein Code für «Heil Hitler».
Tagsüber ziehen sie auch mal ihre Springerstiefel aus und springen in die Badeseen rings um Jena. Der Badeteich «Patschmühle» bei Quirla und die Baggerseen bei Zeitz sind ihre Lieblingsseen. Auf dem Grill brutzeln dann
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