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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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gebastelt und mit einer Funksteuerung für den Flugmodellbau versehen.
    13 Personen halten sich gerade im und vor dem Friseurladen auf, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Bombe um 15:56 Uhr aus sicherer Entfernung zünden. Es gibt einen Riesenknall, die Nägel fliegen umher. 24 Menschen werden teilweise schwer verletzt, zwei Opfer müssen in ein künstliches Koma versetzt werden.
    Der Anschlag soll die türkischstämmigen Kleinunternehmer in der Straße zweimal treffen – einmal als direkte Opfer und einmal, indem das Viertel und ihre Straße fortan als gefährlich gebrandmarkt sind und potenzielle Kunden aus Angst fernbleiben.

    Weil die Polizisten kein Bekennerschreiben in der Keupstraße finden, entscheidet ein Oberstaatsanwalt der Abteilung Staatsschutz der Staatsanwaltschaft Köln einen Tag nach dem Bombenattentat, dass es «keine Hinweise auf eine terroristische Lage» gebe.
    Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verkündet diese These öffentlich: «Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu.» Zu diesem Zeitpunkt haben die Spurensicherer der Soko noch nicht einmal den Tatort verlassen.
    Dieser schnelle Ausschluss eines fremdenfeindlichen oder politischen Motivs wird die Arbeit der Ermittler stark beeinflussen.

    Nach dem Nagelbombenanschlag startet die Polizei eine Ringfahndung. In den nächsten Tagen werden in der Keupstraße 35 Anwohner vernommen. Die Ermittler verteilen Handzettel in deutscher und türkischer Sprache, stellen ein baugleiches Fahrrad wie das bei der Tat verwendete im Bezirksrathaus von Köln-Mülheim aus, werten alle Mobiltelefone aus, die während der Tatzeit in der Funkzelle im Bereich um die Keupstraße eingebucht waren, besuchen die ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY … ungelöst» und beginnen eine Rasterfahndung im Viertel, bei der alle 25- bis 35-jährigen Männer überprüft werden. All das führt zu keinem Ergebnis. Auch als die Polizei 20000 Euro für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, aussetzt, kommen keine relevanten Tipps aus der Bevölkerung.
    Die Polizei vermutet rivalisierende türkische und kurdische Gruppen in der Keupstraße als mögliche Täter. Darum schleust sie fünf verdeckte Ermittler in das Milieu ein, «um die Strukturen der untereinander konkurrierenden türkischen Gruppierungen, deren Angehörige sowie mögliche Beziehungen zu den möglichen deutschen Tatverdächtigen zu erhellen und diesbezügliche Beweismittel zu beschaffen». Auch der Bruder des Friseurgeschäft-Inhabers wird einen Monat lang beschattet. Die Fahnder vermuten bei der Tat einen Bezug zum «Türsteher-Milieu» oder zur Kölner Drogenszene.
    Nach einem halben Jahr verdeckter Ermittlungen stellt die Polizei fest, dass es keinen Zusammenhang zum «Rotlicht-, Rauschgifthandel- und Schutzgelderpresser-Milieu» gibt. Aber die Zivilpolizisten haben genau hingehört, wenn ihnen die Bewohner der Keupstraße ihre Vermutungen über die Täter berichteten:
    «Die geäußerten Meinungen über die Hintergründe des Anschlags sind vielfältig (…) und reichen bis zu einem Zusammenhang mit den Serienmorden an türkischen Geschäftsleuten in Deutschland.» Und weiter: «Es ist demzufolge auch nicht auszuschließen, dass der Sprengstoffanschlag von Einzeltätern aus persönlicher und möglicherweise auch nicht auszuschließender fremdenfeindlicher Motivation verübt wurde.» Übersetzt bedeutet das: Die Täter könnten Neonazis sein.
    Am 22. September 2006 erhält die inzwischen eingerichtete Soko «Bosporus» beim LKA Bayern einen Hinweis von Ermittlern. Auf dem Spurenblatt «Abklärung Nagelbombenanschlag Köln» werden alle Ähnlichkeiten zwischen der Mordserie und dem Bombenanschlag in Köln aufgelistet. Die Spur bekommt die Nummer 349.
    So werden der Zeugin eines Mordes in Nürnberg drei Sequenzen der Viva-Überwachungskameravideos gezeigt. Die Frau erkennt darauf, dass die beiden Radfahrer von Köln in Größe, Statur, Gesichtsform, Profil und Gesichtsausdruck den Männern ähneln, die sie in Nürnberg in der Nähe des Tatorts auf Rädern gesehen hat.
    Der zuständige Soko-Mitarbeiter sieht noch weitere große Ähnlichkeiten zwischen den Morden, die seine Soko untersucht, und dem Anschlag in Köln: Stets schlugen die Täter mittwochs zu, immer benutzten sie Fahrräder zur Flucht, und sie wollten meistens türkische Bürger töten. Trotzdem kommt die Soko zu dem Schluss:

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