Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
«Derzeit bestehen keine weiteren Ansätze, einen Tatzusammenhang zu be- bzw. entkräften.» Danach kommt Spurnummer 349 in die Akte «erledigte Spuren».
Im Jahr 2008 stellt die Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen wegen des Nagelbombenanschlags ein, es fehlten «jegliche Ansatzpunkte» für weitere Untersuchungen.
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe speichern später die Videoaufzeichnungen der Viva-Kameras aus Köln unter den Dateinamen «gerri auf kamera.avi» und «max auf kamera.avi» auf ihren Rechnern. Max und Gerri sind die Spitznamen der Tarnidentitäten von Mundlos und Böhnhardt. Außerdem finden die Polizisten 2011 im Schutt des Zwickauer Hauses ein Mobiltelefon, dessen Nummer sie 2006 bereits bei der Funkzellenauswertung in der Nähe des Tatorts registriert haben – weil die Überprüfung des offiziellen Besitzers des Handyvertrags aber ohne Erkenntnisse blieb, versandete die Spur.
Auf der «Paulchen Panther»-DVD, die Beate Zschäpe 2011 versendet, bekennt sich der «Nationalsozialistische Untergrund» zu dem Bombenanschlag. In dem Video macht sich das Trio über die Opfer lustig, nennt den Anschlag «AKTION DÖNERSPIESS» und blendet ein Schild mit der Aufschrift «BOMBENSTIMMUNG FÜR DIE KEUPSTRASSE» ein.
Über mehrere Minuten zeigt der Film Ausschnitte aus TV-Berichten, die im WDR, bei n-tv und dem ZDF über den Anschlag gesendet wurden. Es sind traurige Bilder von einem Feuerwehrmann, der eine verletzte Frau mit Kopftuch wegträgt, von einem Opfer, das mit Bandagen auf der Krankentrage liegt, und Verletzten mit Kopfverbänden.
Auf der DVD kommentiert der Sprecher:
«Er ahnt ja nicht, dass wir schon wissen,
dass hinter beiden Ärgernissen
der rosarote Panther steckt,
der wieder mal was ausgeheckt,
was bösen Leuten überhängt
und über das der Gute lacht!»
Es folgt eine Trickfilmsequenz, auf der der rosarote Panther in einem Cabrio durch eine Menschenmenge fährt, Luftschlangen und Konfetti fliegen.
«Konfetti gibt es und viel Jubel für Paulchen Panther,
der genießt den Trubel,
denn schließlich ist es der Gemeinde Dank dafür,
dass ihre Straßen blitzeblank!»
Am Straßenrand ist ein Schild zu sehen, auf dem steht: «HOCH LEBE PAULCHEN UND DER NSU.»
Zu ihrem Anschlag wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vermutlich von ähnlichen Aktionen der Rechtsterroristen von «Combat 18» inspiriert. Der bewaffnete Arm des «Blood & Honour»-Netzwerks hatte im April und Mai 1999 drei Sprengstoffattentate in London verübt. Ziel waren jedes Mal Viertel, in denen hauptsächlich Familien aus Afrika, Bangladesch und der Karibik leben, einmal ein Pub, der bei Schwulen sehr beliebt war. Für die Anschläge benutzten die «Combat 18»-Terroristen ebenfalls Nagelbomben.
Die Explosionen richteten Blutbäder an: «Ich hörte verzweifelte Schreie, sah verbrannte Gesichter und abgerissene Körperteile», zitiert eine Zeitung einen Augenzeugen. Die Todesopfer wurden von den Bomben regelrecht zerfetzt. Bei den Anschlägen starben drei Menschen, über hundert wurden verletzt.
In einem Bekennerschreiben drohte «Combat 18» damit, alle Minderheiten auszurotten, die die britische Insel nicht bis zum 31. Dezember 1999 verlassen würden. Der 23-jährige Haupttäter der Londoner Bombenserie, David Copeland, war durch den Roman «Turner Diaries» inspiriert worden – dasselbe Buch, das auch den US-Neonazi Timothy McVeigh bei seinem Bombenanschlag in Oklahoma 1995 beeinflusst hatte. Die «Turner-Tagebücher» beschreiben, wie «Leadership Resistance» funktioniert, das Konzept einer autarken Zelle, die sogar einen Rassenkrieg auslösen kann.
Auch das «Blood & Honour»-Handbuch empfiehlt, Untergrundzellen aufzubauen: «‹Leadership Resistance› bedeutet, dass kleine Zellen einer winzigen Gruppe von nationalen Revolutionären (einschließlich Ein-Mann-Operationen) unabhängig agieren und direkte Gewaltaktionen und/oder Sabotage gegen die ‹Zionistisch besetzte Regierung› durchführen.» Weiter heißt es: «Die Untergrundzelle sollte ihre Operationen sorgfältig planen und jeden Kontakt mit dem legalen Teil des politischen Kampfes zur eigenen Sicherheit vermeiden.» Um für den Untergrundkampf gerüstet zu sein, legt das «Blood & Honour Field Manual» den rechten Terroristen «mentales Training» und «physische Fitness» nahe.
Besonders Deutschland wird das Konzept der «Leadership Resistance» empfohlen, weil «die Diktatur der jüdischen Regierung» die Naziszene unter strenger Beobachtung
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