Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
liegen. Nach wenigen Augenblicken ist alles vorbei, die Killer verschwinden unerkannt.
Später werden die Kunden aussagen, dass sie die Schussgeräusche zwar gehört, aber nicht als Schüsse erkannt hätten. Wieder lassen die Täter keine Patronenhülsen als Beweisstücke zurück. Nach dem Ende seines Telefonats bleibt der Iraker im Laden und wartet auf den vermeintlich abwesenden Cafébetreiber, um sein Gespräch zu bezahlen. Dass dieser blutend hinter seinem Schreibtischtresen liegt, merkt der Mann nicht.
Ein anderer Kunde beendet das Surfen im Internet kurz nach fünf. Weil der Kunde den Besitzer Halit Yozgat nicht sieht, legt er 50 Cent auf den Schreibtisch und verlässt das Geschäft um 17:02 Uhr – während Yozgat nur wenige Zentimeter entfernt stirbt.
Der Mann ist Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes und V-Mann-Führer für den Bereich «Ausländerkriminalität». Zu seinen Klienten gehören Türken aus dem Umfeld der «Grauen Wölfe», einer rechtsextremen türkischen Organisation. Später finden Ermittler im Haus seiner Eltern mit der Schreibmaschine abgetippte Seiten des verbotenen Buches «Mein Kampf» von Adolf Hitler, ein Buch über Serienmorde und eine scharfe Waffe. In seinem Heimatort hat er den Spitznamen «Klein Adolf».
Dieser Verfassungsschützer sitzt im Hinterraum des Internetcafés, während im Vorderraum ein türkischstämmiger Mann hingerichtet wird. Die Polizei ermittelt. Einen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Geheimdienstler können die Polizisten der Soko «Bosporus» trotz intensiver Ermittlungen aber nicht finden. Am 18. Januar 2007 wird das Verfahren gegen den Verfassungsschützer von der Staatsanwaltschaft Kassel eingestellt.
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Die Presse recherchiert II
Nach dem neunten Mord in Folge an ausländischen Kleinunternehmern berichten auch die Medien wieder verstärkt über die «Spur des Serienkillers». Allen voran die Boulevardzeitung Bild . Am 12. April 2006 nennt sie «vier heiße Spuren»: «Drogenmafia, organisierte Kriminalität, Schutzgeld, Geldwäsche.»
Die Bild zitiert den Kriminologen Christian Pfeiffer mit den Worten: «Schutzgeld als Motiv liegt auf der Hand. Es kann sein, dass die Getöteten gar nicht zu den Erpressten gehörten. Die Organisation hat sie vielleicht zur Abschreckung benutzt. Ihre Opfer wählt sie völlig willkürlich aus. Deshalb kann die Polizei auch keine Verbindung finden – es gibt keine.»
Der Weserkurier aus Bremen schreibt: «Zugleich rückt eine Istanbul-Connection in den Blickpunkt. Nach bisher unbestätigten Berichten soll es Anhaltspunkte dafür geben, dass alle neun Mordopfer in den vergangenen Jahren Kontakt zu einem Import-Export-Unternehmen in Istanbul hatten. Möglicherweise spiele die Drogenmafia eine Rolle in der Mordserie, wird spekuliert. Die Türkei ist eines der wichtigsten Transitländer für Heroin, das aus Afghanistan nach Deutschland und in andere europäische Länder geschmuggelt wird.»
Die Nürnberger Zeitung spricht mit einem Leiter der Soko «Bosporus» und zitiert ihn mit den Worten: «Die Opfer sind die letzten Glieder einer Kette, die ins Milieu organisierter Kriminalität führt. Geld spielt eine Rolle.»
Dem Focus gibt der damalige Leiter auch ein Interview: «Die neun Morde seien sehr rational, überlegt und planvoll ausgeführt worden. Deshalb lassen sich persönliche Motive wie Rache eher ausschließen.» Von der These, es handle sich um einen geisteskranken Serienmörder, der ohne Motiv tötet, hält der Kripomann laut dem Magazin überhaupt nichts. «Ebenso wenig von ausländerfeindlichen Hintergründen.»
Das Magazin recherchiert der Mordserie auch nach und beklagt: «Die schwer durchdringbare Parallelwelt der Türken schützt die Killer.» In der Süddeutschen Zeitung äußert sich ein bayerischer Oberstaatsanwalt über die türkischen Bekanntenkreise der Opfer: Er habe den Eindruck, «da weiß einer mehr, aber er will es uns nicht sagen». Der Soko-Chef sagt der SZ , er habe «angesichts der Mauer des Schweigens» den Eindruck, dass «die Türken noch nicht in dieser Gesellschaft angekommen sind».
In der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY … ungelöst» nennt Moderator Rudi Cerne mögliche Hintergründe für die neun Morde: «Organisierte Kriminalität», «Auftragskiller», und fragt: «Haben sich die Opfer selbst in kriminelle Geschäfte verwickelt?»
Für Hinweise, die zur Aufklärung der Taten führen, stockt der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) am 26. April
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