Die Zen-Lehre des Landstreichers Kodo (German Edition)
lese Zeitungen, habe aber keinen Radio und keinen Fernseher, es gibt also keinen Grund, warum ich viel darüber wissen sollte, was in der Gesellschaft vor sich geht. Wenn ich jedoch an die Menschen denke, die bei mir wegen ihrer Probleme Rat suchen oder die zu mir kommen, um zu erzählen, dass sie von meinen Schriften beeindruckt sind, dann scheine ich mehr über die menschliche Gesellschaft zu wissen als die Leute draußen in der Welt.
Die Menschen nehmen so viele Informationen auf, erleben täglich so viel Aufregung und sind davon so gelähmt, dass sie die logischen Verbindungen zu den Wurzeln der Ereignisse nicht mehr erkennen. Sie haben oft gewalttätige Ereignisse im Nationalen Unterhaus im Fernsehen betrachtet, und ihre Sinne sind dabei abgestumpft. Sie sehen im Gedanken fern: „Aha, das Nationale Unterhaus ist also solch ein Platz“. Wenn du in einem Tempel ein Leben des Zazen führst und nicht fernsiehst, dann aber zufällig eine solche Szene betrachtest, wirst du natürlich davon überrascht sein. Du würdest glauben, dass diese Welt ein absurder Ort ist, wenn sogar in der Staatspolitik Probleme mit jener Art schäbiger Gewalt gelöst werden, wie du sie in Kamagasaki finden kannst, einem der größten Slums in Osaka. Wenn du in lärmiger Umgebung lebst, bemerkst du bald den Krach nicht mehr. Wenn du an einem ruhigen Ort weilst und in einem Tempel ein Leben des Zazen führst, kannst du vielleicht das wahre Gesicht der Welt erkennen.
Sawaki Roshi : Bis du das „Menschliche“ von einem nicht-menschlichen Standpunkt aus betrachtest, wirst du niemals die Wahrheit verstehen.
Was das Leben lebt, ist nur man selbst
Sawaki Roshi : So weit du sehen kannst, gibt es nur dich und nichts als dich. Es ist nicht so als ob du jemanden bitten könntest, deinen Überdruss zu teilen oder dir deine Schmerzen abzunehmen.
Uchiyama Roshi : Vor einiger Zeit gab es diesen Mann, der verschiedene junge Frauen dazu brachte, in sein Auto zu steigen; dann schlug und tötete er sie. Warum machte er so was? Er war schon mal im Gefängnis gewesen; als er seine Zeit abgesessen hatte, musste er feststellen, dass seine Frau ihn verlassen hatte und die Gesellschaft ihn für einen Außenseiter hielt. Es scheint, das Motiv für sein Verbrechen sei Rache. In der Zeitung wurde er zitiert, er habe den Menschen zeigen wollen, wie böse ein zynischer Mensch werden kann, der von seiner Familie und der Gesellschaft verstoßen wurde. Nach seiner Haftentlassung beschloss er, so böse wie möglich zu werden.
Ich weiß nicht, unter welchen Umständen er groß wurde, doch diese Art von Einstellung kann oft bei verhätschelten Kindern beobachtet werden. Solche Kinder lernen nie, ihre Wünsche zu kontrollieren. Auch nachdem sie groß geworden sind, können sie bei ihren Wünschen nicht die Bremse treten und brechen natürlich irgendwann ein. Weil ihre Eltern immer ihre Fehler ausbügeln, wachsen sie auf, ohne je zu lernen, dass nur sie selbst ihr eigenes Leben leben können. Wenn sie in kostspielige Situationen geraten, aus denen sie die Eltern nicht mehr befreien können, denken sie: „Okay, ich werde versuchen, so böse wie möglich zu sein.“ Sie handeln nur aus Trotz ihren Eltern und der Gesellschaft gegenüber. Sie ruinieren ihr eigenes Leben und zerstören dadurch, was wirklich wichtig ist.
Diese überbehüteten Kinder betrachten sich selbst nur in Beziehung zu anderen und sind nicht fähig, beim wahren Selbst anzukommen oder bei „Ich werde mein eigenes Leben leben“. Wenn sie Schwierigkeiten erfahren, können sie ihre Probleme nicht aushalten und besitzen nicht die Flexibilität, die sie bräuchten, um wieder Halt zu gewinnen. Weil es unmöglich ist, unser Leben ohne Fehler und Probleme zu führen, hoffe ich, dass wir die Klarheit besitzen, Schwierigkeiten auszuhalten und wieder Halt zu gewinnen im Wissen, dass wir die Lebenskraft schon besitzen, die uns das ermöglicht. Ich wiederhole noch mal: Was unser Leben lebt, ist nur man selbst!
Ein Gauner schleicht ins leere Haus
Sawaki Roshi : Einmal fragte ein Mönch den Priester Ryuge: „Was brachte früher einen Menschen dazu, seine Geschäftigkeit aufzugeben?“ Ryuge antwortete: „Es ist, als würde ein Bandit in einen leeren Raum schleichen.“ Weil der Ganove in ein leeres Zimmer kommt, kann er nichts stehlen. Es gibt keinen Grund abzuhauen. Niemand verfolgt ihn. Da ist sonst nichts. Merke das gut: „Da ist sonst nichts.“
Satori ist wie „Ein Gauner
Weitere Kostenlose Bücher